Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 440

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meinerseits in der Presse die Parteigenossen in Halle, Bremen, Kiel, Frankfurt, Breslau, Königsberg, Dortmund, Essen sich mit der Frage befaßt hatten, daß vom Hessen-Nassauischen Bezirk z. B. eine formelle Anregung an den Parteivorstand ergangen war, die Frage der Anwendung des Massenstreiks ins Auge zu fassen. Ja, soll ich den „Vorwärts“ daran erinnern, daß Anfang März die leitenden Instanzen der Partei und der Gewerkschaften selbst über die Anwendung des Demonstrationsstreiks im Wahlkampf berieten? Die Stimmung in den weitesten Parteikreisen war also bereits so sehr für „schärfere Mittel“ eingenommen, die Anregung dazu war aus der Partei heraus so stark, daß sogar unsre leitenden Instanzen sich bereits mit der Frage befaßten. Und das war alles in den ersten Tagen des März, bevor ich zur Frage des Massenstreiks eine Silbe geschrieben oder öffentlich gesprochen hätte. Alle diese Tatsachen sind doch dem „Vorwärts“ ebenso bekannt wie mir, nur daß für ihn mit dem negativen Ergebnis der Verhandlungen der Parteiinstanzen die Frage abgetan war nach dem Satz: Roma locuta, causa finita est (Der Parteivorstand hat gesprochen, die Sache ist erledigt.), während ich der Auffassung war und bin, daß solche großen Massenaktionen wie unsre preußische Wahlrechtsbewegung nicht durch geheime Beschlüsse der obersten Instanzen, sondern durch Entschlüsse und Beschlüsse der breitesten Parteikreise zu leiten sind und daß deshalb den Anregungen, der Kampfstimmung dieser Parteikreise durch eine entschlossene und konsequente Weiterführung der Wahlrechtskampagne hätte Genüge getan werden sollen. Nicht deshalb ist also – wie ich in der „Neuen Zeit“ ausführte – die Wahlrechtsbewegung zum Stillstand gekommen, weil man „meiner Anregung“ nicht gefolgt wäre, sondern weil man die prächtige Stimmung der Parteimassen durch allzu zaghafte Veranstaltung von Demonstrationen und schließlich durch völlige Unterbrechung der Demonstrationen verzettelt hat. Kann es nun in gutem Glauben geschehen sein, wenn der „Vorwärts“, dem alle diese Tatsachen, dem die Stimmung der Partei im Frühjahr wohlbekannt ist — hat er es sich doch extra Mühe kosten lassen, aus den Berichten über die Versammlungen in der Provinz Beifallskundgebungen zu den Ausführungen über den Massenstreik zu streichen —, ich frage, kann es mit gutem Glauben geschehen, daß der „Vorwärts“ jetzt von meinen „Ausfällen“ gegen „die preußischen Genossen“ spricht? Sind die Genossen in Halle, Breslau, Kiel, Frankfurt, Bremen, Solingen, Dortmund, Elberfeld, wo in Versammlungen und in der Presse entgegen dem Beschluß der Instanzen und entgegen dem Genossen Kautsky die Notwendigkeit der Massenstreikagitation mit allem Nachdruck ausgesprochen worden ist, sind die Massen der Genos-

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