Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 435

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sche Selbstverständlichkeit, daß die badischen Genossen der Gesamtpartei nicht parlamentarische Vertreter aufzwingen können, die den Willen und die Auffassung der Gesamtpartei zunichte machen. Die badische Parteimasse wollen und müssen wir für unsre Auffassung gewinnen, die parlamentarischen Vertreter aber, die durch ihre Handlungsweise die Partei kompromittieren und gerade das Werk der Verbreitung der sozialistischen Erkenntnis durchkreuzen, das wir für notwendig halten, sind unfähig, länger ihre Posten auszufüllen. Dies auszusprechen, die 17 badischen Abgeordneten zur Niederlegung ihrer Mandate aufzufordern, ist das Minimum, was der Parteitag zu Magdeburg tun muß. Eine Dreimillionenpartei muß sich schon gefallen lassen, daß sich allerlei kleinbürgerliche Reformer à la Frank, Kolb, Quessel und sonstige, die auf keinem andern Gebiete ein lockendes Betätigungsfeld finden, partout darauf versteifen, sich für Sozialdemokraten zu halten. Aber die Partei darf solche Personen nicht an ihre Spitze stellen und ihnen Ämter anvertrauen, in denen sie als Erzieher der Massen wirken sollen.

Übrigens wird damit nicht ein neuer Tatbestand geschaffen. Die 17 sozialdemokratischen Mandate im badischen Landtag sind bereits verwirkt, sie sind durch die Handlungsweise der Fraktion zunichte gemacht, sie sind der Partei, der sie Arbeit und Opfer gekostet haben, bereits aus den Händen entrissen, aus sozialdemokratischen Sitzen zur Vertretung einer kleinbürgerlich-monarchischen Reformpartei gemacht. Indem die Partei die 17 Abgeordneten zur Niederlegung ihrer Mandate auffordert, wird sie nur das aussprechen, was ist. Dies Wenige und Einfache wird aber hier wie immer eine befreiende Tat sein.

Wir brauchen uns dabei gar nicht die möglichen, damit verbundenen Komplikationen zu verheimlichen. Es ist wohl denkbar, daß die badischen Rebellen trotz der Aufforderung der Partei an ihren Mandaten zu Unrecht weiter festhalten werden, indem sie sich auf ihre Wähler berufen. Auch solche Beispiele der Disziplinlosigkeit bietet wohl die Geschichte des Opportunismus in Frankreich wie in Italien. Allein moralisch und wohl auch politisch, in den Augen der bürgerlichen Parteien, auf die es den badischen Landtagsabgeordneten so sehr ankommt, haben die Mandate nach der Aberkennung durch das höchste Forum der Gesamtpartei ihre Bedeutung verloren. Die weiteren Handlungen der Rebellen sind dann nicht mehr für die Partei bindend, können sie nicht mehr kompromittieren, und das ist die Hauptsache. In die Verwilderung der proletarischen Massen Badens durch die korrumpierende Politik der Fraktion im Landtag wird durch das entschlossene Wort der Sozialdemokratie Licht hinein-

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