Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 434

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Entfaltung großer Massenaktionen bei entsprechender politischer Situation, entschlossene Weiterführung der Kampfweise und der Kampfformen der Sozialdemokratie auf neuen Bahnen – das ist der einzige wirksame „Riegel“, der uns in Zukunft vor den Streichen des Revisionismus bewahren und die Proletarier im Süden für die Klassenpolitik und den revolutionären Standpunkt der Sozialdemokratie gewinnen kann.

Um dies zu erreichen, muß die Partei aber in erster Linie ganz unzweideutig zeigen, daß sie das zu bleiben entschlossen ist, was sie in ihrer überwiegenden Mehrheit bis jetzt war. Geht es nicht an, die badischen Genossen aus der Partei auszuschließen, so ist es auf der andern Seite noch weniger angängig, Leute in der Stellung offizieller Parteivertreter zu belassen, die den Grundsätzen der Partei bewußt zuwiderhandeln. Die badischen Landtagsabgeordneten vertreten nicht die Partei Badens allein, sondern die Gesamtpartei Deutschlands. Das folgt nicht bloß aus der allgemeinen politischen Auffassung, wonach der parlamentarische Abgeordnete einer Partei nicht nur den eigenen Wahlkreis, sondern die ganze Partei durch sein Tun und Lassen engagiert. Machen wir doch mit Recht auf Schritt und Tritt das Zentrum, die Nationalliberalen, den Freisinn für Worte und Abstimmungen verantwortlich, die irgendwelche ihrer Parlamentarier in irgendeinem Landtag produzieren. Für die Sozialdemokratie ergibt sich dies auch noch speziell aus unsrer Parteigeschichte. Die badischen Genossen können unmöglich mit reinem Gewissen behaupten, es seien lediglich ihre eigene agitatorische Arbeit, ihre Leistungen innerhalb des Ländchens, die ihnen die 20 Sitze im badischen Landtag eingetragen haben. Nein, es sind vor allem die Leistungen der Gesamtpartei, die vierzigjährige Aktion im Reichstag, das Sozialistengesetz, das enorme Wachstum und der Einfluß der Sozialdemokratie im industriellen Norden, wo die politischen Geschicke Deutschlands entschieden werden, die kolossalen materiellen und geistigen Mittel, die hier in den Dienst der Arbeitersache gestellt wurden, was den Einfluß, das Ansehen und die Anhängerschaft der Sozialdemokratie auch in Baden zu der heutigen Stärke erhoben hat. Die zwanzig Landtagsmandate in Baden sind genauso wie jedes Reichstagsmandat die Frucht des halben Jahrhunderts unermeßlicher Mühen und Opfer der gesamten Partei Deutschlands, im Norden und im Süden, im Osten und im Westen. Nur als ein Teil dieses Ganzen, nur als kleine Phalanx der Riesenarmee haben die badischen Genossen Beziehung zu den von ihnen eroberten Landtagsmandaten. Es ist deshalb selbst bei der größten Rücksicht auf die Proletarier Badens und bei mildester Behandlung der Sache einfaches Gebot der Gerechtigkeit, es ist eine politi-

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