Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 43

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der arbeitenden Klassen über die ganze Welt, unter allen Nationalitäten. Der Kapitalismus ist eine internationale Plage für die Menschheit. Deshalb müssen auch die Arbeiter in allen Ländern gemeinsam und einheitlich gegen die Ausbeutung vorgehen. Die Beseitigung der Herrschaft des Kapitalismus und die Abschaffung des Privateigentums lassen sich nicht in irgendeinem Lande unabhängig von den anderen Ländern bewerkstelligen. Nur mit einem Schlage in allen Ländern, wo Fabrikschlote rauchen, wo das Elend in den Arbeiterhäusern wohnt, können die Arbeiter durch gemeinsamen Kampf den sozialistischen Umsturz herbeiführen. Karl Marx und Friedrich Engels schlossen im Jahre 1848 ihr Kommunistisches Manifest mit dem Ausruf: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ In diesem Geiste ist die Sozialdemokratie eine internationale Partei. Sie strebt zur Vereinigung der Arbeiter aller Nationalitäten und Länder in einer Armee, die für eine bessere Zukunft für die Menschheit kämpft.

Die sozialistische Ordnung wird eine wahrhafte Erlösung der menschlichen Gesellschaft sein von der Ungleichheit der Menschen untereinander, von der Ausbeutung der einen durch andere, von der Herrschaft der einen über die anderen, von der Unterdrückung der unterjochten Nationen durch eroberungssüchtige Nationen, von der Benachteiligung der Frauen durch die Herrschaft des männlichen Geschlechts, wird die Erlösung sein von Verfolgungen wegen der Religion, der Konfession und der Überzeugung. Sich in allen Einzelheiten vorzustellen, wie diese künftige sozialistische Ordnung aussehen wird, ist unmöglich, und alle derartigen Versuche sind Phantastereien. Aber die Hauptgrundlagen dieser künftigen Ordnung lassen sich schon heute und mit voller Sicherheit erkennen. Es genügt, daß wir wissen, daß sie auf dem gesellschaftlichen Eigentum an allen Produktionsmitteln beruhen wird und daß nicht jeder einzelne Produzent auf eigene Faust, sondern die ganze Gesellschaft und deren gewählte Organe die Produktion leiten werden, damit wir die Schlußfolgerungen ziehen können, daß die künftige Ordnung weder Mangel noch müßiggängerischen Überfluß, weder Krisen noch Ungewißheit über den morgigen Tag kennen wird. Mit der Beseitigung des Verkaufs der Arbeitskraft an private Ausbeuter verschwindet die Quelle aller heutigen sozialen Ungleichheit.

Der Sozialismus wird also jenen sozialen Zustand verwirklichen, nach dem sich die Menschheit schon seit Jahrtausenden sehnt. Schon vor der Zeit Fouriers, Owens und der anderen utopischen Sozialisten, die zu Beginn der kapitalistischen Produktion in Erscheinung traten, schimmerte das Ideal des Sozialismus in undeutlichen Formen in der menschlichen Gesellschaft. Vor zwei Jahrtausenden war das Urchristentum der ersten

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