Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 424

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kratischen Auffassung. Folgt aber daraus, daß wir gegen die Monarchie nicht agitieren sollen, weil sie bloß „ein Werkzeug“ und nicht der „Schwerpunkt“ der Klassenherrschaft ist? Oder folgt daraus, daß man unmöglich für die Republik agitieren könne, ohne sofort die Vorstellung zu erwecken, als ob die Monarchie der Schwerpunkt der Klassenherrschaft wäre? Der Militarismus ist nicht der Schwerpunkt, sondern bloß ein Werkzeug der Klassenherrschaft. Die Schutzzölle sind nicht der Schwerpunkt, sondern bloß ein Werkzeug der Klassenherrschaft, die Kolonialpolitik ist nicht der Schwerpunkt, sondern bloß ein Werkzeug der Klassenherrschaft. Die indirekten Steuern sind nicht der Schwerpunkt, sondern bloß ein Werkzeug der Klassenherrschaft. Trotzdem agitieren wir tagein, tagaus gegen den Militarismus, die Schutzzölle, die Kolonialpolitik, die indirekten Steuern. Und wenn wir dies alles können, ohne in die Illusionen bürgerlicher Friedensapostel, bürgerlicher „Freihandelshausierburschen“, bürgerlicher „Negerfreunde“ und bürgerlicher Steuerreformer zu verfallen, so können wir genausogut republikanische Agitation treiben, ohne Karl Heinzens Gespenst heraufzubeschwören.

Dafür noch eine Stichprobe.

„Der ‚Vorwärts‘ und ‚Die Neue Zeit‘“, heißt es im Leitartikel der „Neuen Zeit“, „haben die Erhöhung der Zivilliste allerdings auch von der politischen Seite bekämpft: als eine neue Belastung der ohnehin bis auf Haut und Knochen ausgepowerten Volksmassen, als einen Anspruch der Monarchie, der sie diesen Massen um so unerträglicher macht. Aber darüber hinaus sind sie nicht gegangen, aus dem einfachen Grunde nicht, um die Ziele des proletarischen Klassenkampfes nicht zu verschleiern, um nicht den trügerischen Anschein hervorzurufen, als ob es sich bei der Frage: Monarchie oder Republik? darum handle, daß jene etwas kostspieliger und diese etwas wohlfeiler wirtschaftet.“[1] [Hervorhebung – R. L.]

Ja hat denn irgend jemand verlangt, daß unsere leitenden Organe bei der Behandlung der Zivilliste nachgewiesen hätten, die Monarchie sei kostspieliger als die Republik? Wäre das republikanische Agitation im sozialdemokratischen Sinne? Aber nein, aber nein doch, lieber und verehrter Leitartikel! Es ist nur wieder Karl Heinzen, der bei dieser Vorstellung seine armen geschundenen Knochen im Grabe umdreht. Was ich zu kritisieren suchte, war ja gerade die ausschließliche Hervorhebung der Kostenseite der Frage, während den Vertretern der Zivilliste und ihren bürgerlichen Anhängern m. E. hätte erklärt werden sollen: Nicht darum stimmen wir gegen die Zivilliste, weil sie uns zuviel Geld aus der Tasche

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[1] Ebenda, S. 498 f.