Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 41

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Idee und eine Forderung der Gerechtigkeit, sondern eine historische Notwendigkeit ist.

Die Entwicklung der maschinellen Produktion und der Großindustrie stößt in allen Ländern immer breitere Volksmassen ins Elend und in völlige Abhängigkeit von den Kapitalisten. Der Arbeitslohn der riesigen Mehrheit der Arbeiter bewahrt sie kaum vor dem Hungertod und gibt ihnen oftmals nicht die Möglichkeit, ihre Familie zu ernähren. Auch die Frau und die unmündigen Kinder des Arbeiters sind gezwungen, sich in das Joch des Kapitalisten zu spannen. Das Familienleben des Arbeiters ist folglich zerstört und seine Gesundheit schon von früher Jugend an zerrüttet. Die industriellen Krisen, die sich regelmäßig in mehrjährigen Abständen wiederholen und einen Stillstand der Industrie hervorrufen, währenddessen die Waren keinen Absatz finden, bringen noch darüber hinaus Tausende von fleißigen Arbeitern um Beschäftigung und Brot und fügen den vielen Leiden der arbeitenden Bevölkerung die furchtbare Ungewißheit über den morgigen Tag hinzu.

Andererseits jedoch wird durch die gleiche Entwicklung der Großindustrie die Arbeiterklasse, das heißt die Armee der mit den bestehenden Verhältnissen Unzufriedenen, immer stärker konzentriert und vergrößert. Die Konkurrenz der Fabrik und des Großgrundbesitzes ruiniert sowohl den kleinen Handwerksmeister als auch den Bauern auf seinem kleinen Stückchen Land. Die Handwerker und Bauern, die die Werkstatt und den Boden verlieren, strömen immer zahlreicher in die Städte und Fabriksiedlungen. Dadurch konzentrieren sich in den Industriezentren immer mehr die ihres Eigentums beraubten Proletariermassen, denen auf diese Weise bewußt wird, daß sie die gewaltige Mehrheit der Gesellschaft bilden. Sie erkennen die Ausbeutung, deren Opfer sie sind, und ihre Kraft, die in ihrem Zusammenschluß und in ihrer Einheit liegt.

Zugleich konzentriert sich auch das Eigentum der Ausbeuter immer mehr, während ihre Anzahl im Verhältnis zur Bevölkerung abnimmt. Infolge der Konkurrenz in der Industrie entstehen an Stelle vieler kleiner und mittlerer Betriebe und Fabriken wenige Fabrikriesen mit Tausenden von Arbeitern und einer Millionenproduktion. An die Stelle vieler Privatunternehmen tritt die Aktiengesellschaft, in der die einzelnen Kapitalisten nur die Eigentümer von Aktienanteilen sind, jeder entsprechend dem in das Unternehmen eingebrachten Kapital. Die Produktion findet hier ganz ohne Beteiligung der Kapitalisten statt, sie steht unter der Leitung eines bezahlten Direktors, während die Profite aus der Arbeit der großen Arbeiterarmee in die Taschen der Kapitalisten fließen ohne jegliche Ver‑

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