Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 384

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lässig war wie jetzt in Italien. Aber das Faktum, daß man nicht einmal ein offen republikanisches Parteiprogramm in Deutschland aufstellen darf, beweist, wie kolossal die Illusion ist, als könne man dort auf gemütlich-friedlichem Weg die Republik einrichten, und nicht nur die Republik, sondern die kommunistische Gesellschaft.

Indes kann man an der Republik sich allenfalls vorbeidrücken. Was aber nach meiner Ansicht hinein sollte und hinein kann, das ist die Forderung der Konzentration aller politischen Macht in den Händen der Volksvertretung. Und das würde einstweilen genügen, wenn man nicht weitergehen kann.

Zweitens. Die Rekonstitution Deutschlands …

Also einheitliche Republik …

Von allen diesen Sachen wird nicht viel ins Programm kommen dürfen. Ich erwähne sie auch hauptsächlich, um die Zustände in Deutschland zu kennzeichnen, wo so etwas zu sagen nicht angeht, und damit gleichzeitig die Selbsttäuschung, die solche Zustände auf gesetzlichem Weg in die kommunistische Gesellschaft überführen will. Und ferner, um dem Parteivorstand in Erinnerung zu bringen, daß es noch andre politische Fragen von Wichtigkeit gibt als die direkte Gesetzgebung durch das Volk und die unentgeltliche Rechtspflege, ohne die wir am Ende auch vorankommen. Bei der allgemeinen Unsicherheit können jene Fragen von heute auf morgen brennend werden, und was dann, wenn wir sie nicht diskutiert, uns nicht darüber verständigt haben?“[1]

Man sieht, Engels erblickt „einen großen Fehler“ des Parteiprogramms darin, daß es nicht die Forderung der Republik enthält, nur auf die kategorischen Vorstellungen aus Deutschland hin, daß dies aus polizeilichen Gründen „nicht angehe“, entschließt er sich mit sichtlichem Unbehagen und einigen Zweifeln, in den sauren Apfel zu beißen und sich „allenfalls“ an der Forderung der Republik „vorbeizudrücken“. Was er aber ganz unumwunden für notwendig erklärt, ist die Erörterung der Losung der Republik in der Parteipresse:

„Ob es sonst noch möglich ist“, sagt er nochmals, „in bezug auf die soeben diskutierten Punkte Programmforderungen zu formulieren, kann ich hier nicht so gut beurteilen als Ihr dort. Aber wünschenswert wäre es, daß diese Fragen innerhalb der Partei debattiert würden, ehe es zu spät ist.“[2] [Hervorhebung – R. L.]

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[1] Friedrich Engels: Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 22, S. 235 f.

[2] Neue Zeit, XX, 1, S. 11 f. [Friedrich Engels: Zur Kritik des sozialdemokratischen Programmentwurfs 1891. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 22, S. 237.] [Fußnote im Original]