Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 367

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Wahlrecht abgehalten werden.“[1] Bartel erklärt: „In dem Manifest der Parteivertretung und des Verbandes wurde ein schüchterner Aufruf zum Wahlkampf erlassen. Wir haben in der Provinz aufgeatmet, weil wir meinten, endlich werde etwas geschehen. Es geschah aber nichts, und wir stehen dort, wo wir vor dem Manifeste standen.“[2] Sämtliche Redner äußerten sich in demselben Sinne. Dieselben Klagen wiederholen sich auf dem Parteitag in Wien 1901[3], in Aussig 1902[4] und wieder in Wien 1903[5]. Auf dem Parteitag in Salzburg im Jahre 1904 endlich gab es einen ganzen Sturm des Unwillens über den Stillstand in der Wahlrechtsbewegung. Pölzer rief: „Ja, was wird denn eigentlich geschehen? … Genossen, das geht nicht weiter. Wenn wir Drohungen aussprechen, müssen wir sie verwirklichen … Eingreifen gilt es mit aller Macht, denn lange genug haben wir bloß gedroht.“[6] Schuhmeier konstatiert: „Es läßt sich nicht leugnen, daß in unseren Reihen die Stimmung abgeflaut ist, daß das Feuer der Kampfesbegeisterung nachgelassen hat.“[7] So groß war die allgemeine Gedrücktheit, der Elan so gering, daß Schuhmeier in Salzburg – ein knappes Jahr vor dem siegreichen Sturm im November 1905 – erklären konnte: „Ich bin heute überzeugt, daß wir vom allgemeinen Wahlrecht weiter entfernt sind als je.“[8] Freundlich stellt fest, es herrsche „in den Massen eine Hoffnungslosigkeit und Teilnahmslosigkeit gegenüber dem politischen Leben …, wie sie in diesem Umfange noch nicht beobachtet worden ist“[9]. Pernerstorfer meinte, nicht einmal Straßendemonstrationen wären mehr zustande zu bringen. Man fordere, „daß wir auf die Straße gehen, daß wir die Parteigenossen auffordern, eine Art von Demonstrationen zu beginnen, wie sie ja schon einmal gemacht worden sind. Nun meinen wir aber ganz ernstlich, daß wir mit einer solchen Aktion jetzt ein Fiasko erleben würden“[10]. Winarsky sagt ausdrücklich: „Wir haben

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[1] Verhandlungen des Parteitages der Deutschen Socialdemokratie Oesterreichs, abgehalten zu Graz vom 2. bis einschließlich 6. September 1900, S. 75.

[2] Ebenda, S. 76.

[3] Der Gesamtparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich vom 2. bis 6. November 1901 fand in Wien statt.

[4] Der Parteitag der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich vom 15. bis 18. August 1902 fand in Aussig statt.

[5] Der Gesamtparteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich vom 9. bis 13. November 1903 fand in Wien statt.

[6] Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Oesterreich. Abgehalten zu Salzburg vom 26. bis 29. September 1904, Wien 1904, S. 101.

[7] Ebenda, S. 104.

[8] Ebenda, S. 105.

[9] Ebenda.

[10] Ebenda, S. 107.