Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 361

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Wie wenig die vom Genossen Kautsky verteidigte „Ermattungsstrategie“ in Wirklichkeit mit dem „politischen Testament“ von Engels zu tun hat, beweist ein heiterer Umstand. Gleichzeitig mit dem Genossen Kautsky tritt in den „Sozialistischen Monatsheften“ Ed. Bernstein gegen die Losung des Massenstreiks in der gegenwärtigen Situation auf.[1] Mit denselben Argumenten, stellenweise in fast wörtlicher Übereinstimmung mit Genossen Kautsky, will Bernstein den Demonstrationsstreik vom „Zwangsstreik“ ebenso wie den gewerkschaftlichen Streik vom politischen streng geschieden wissen und wettert gegen jene „Spieler“, die die gefährliche Losung eines „Zwangsstreiks“ jetzt in die Massen werfen. Eine solche Taktik sei nicht angemessen „für Vertreter der Bewegung der Arbeiterklasse …, die die Gewißheit ihres sozialen Aufstiegs in sich trägt, für die aber als das sicherste Mittel zur Verwirklichung dieses Aufstiegs sich in Deutschland die unablässige systematische Organisationsarbeit bewährt“[2] habe. [Es] auf die Gefahren eines Massenstreiks ankommen zu lassen, liege „wahrhaftig kein Grund vor, wo die deutsche Arbeiterbewegung auf dem bisher von ihr beobachteten Weg vielleicht langsam, aber stetig und sicher Schritt für Schritt vorwärts gekommen“[3] sei. Bernstein, nicht Engels, verteidigt hier die „Ermattungsstrategie“ des Genossen Kautsky. Diese „Ermattungsstrategie“ bedeutet aber ganz etwas anderes als das Engelssche „Testament“.

Der Massenstreik, wie er gegenwärtig im preußischen Wahlrechtskampf zur Debatte steht, war und ist von keinem Menschen als Gegensatz zum Parlamentarismus, sondern als seine Ergänzung, ja, als Mittel, parlamentarische Rechte zu erringen, gedacht. Nicht als Gegensatz zum täglichen Werke der Schulung, Aufklärung und Organisierung der Massen, sondern als ein hervorragendes Mittel, gerade die Schulung, Aufklärung und Organisierung der proletarischen Massen zu fördern. Da Genosse Kautsky nun diesem so gedachten Massenstreik unsere altbewährte Taktik des Parlamentarismus entgegenstellt, empfiehlt er in Wirklichkeit vorläufig und für die gegenwärtige Situation einfach Nichtsalsparlamentarismus; nicht im Gegensatz zum utopischen Barrikadensozialismus, wie Engels, sondern im Gegensatz zur sozialdemokratischen Massenaktion des Proletariats zur Erringung und Ausübung politischer Rechte.

In der Tat weist uns Genosse Kautsky – dies der Grundpfeiler seiner

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[1] Eduard Bernstein: Die Potenz politischer Massenstreiks: In: Sozialistische Monatshefte (Berlin), 1910, 1. Bd., S. 428–488.

[2] Ebenda, S. 486.

[3] Ebenda, S. 487.