Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 342

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Nur im Kampf, nur in der Organisation ist unsere Kraft, ist die einzige Rettung für das Proletariat aus der Hölle der kapitalistischen Ausbeutung und der politischen Unterdrückung. Niemand und nichts wird uns aus dem heutigen Elend heraushelfen, wenn wir nicht selbst uns wieder aufraffen, uns zusammenschließen, uns zum Kampfe bereit machen. Nur wenn im ganzen Lande, in ganz Rußland Millionen Arbeiter wieder, wie vor 5 Jahren, aufstehen und wie eine große Armee zum Kampf gegen die zarische Schergenregierung losziehen, nur dann, wenn die Revolution wieder auflodert, dann werden die Blutsauger und ihre Helfershelfer, die Kasnakows, vor der Macht der Arbeiter zurückweichen müssen. Es ist Zeit, es ist höchste Zeit, daß dieses erlösende Erwachen der Arbeiter beginnt.

Arbeiter! Genossen! Der herannahende 1. Mai sei der Tag, an dem wir zeigen, daß in uns der Funke der Revolution nicht erloschen ist, daß wir von neuem zum Kampfe um unsere Menschenrechte ausrücken.

In der ganzen Welt werden an diesem Tage Millionen Proletarier demonstrieren, um ihr treues Festhalten an der Fahne des Sozialismus zu zeigen. Zeigen auch wir, daß wir zu diesem kämpfenden Heer gehören, daß wir eine Erlösung aus der heutigen Gesellschaft wollen, daß wir zu einer Gesellschaftsordnung streben, in der die Fabriken, Gruben, Werkstätten, der gesamte Grund und Boden allen Arbeitenden gemeinsam gehören werden, wo es keine Ausbeuter und Ausgebeuteten, keine Herren und Knechte geben wird, wo völlige Gleichheit, Freiheit und Verbrüderung aller Völker herrschen wird.

In der ganzen Welt werden Millionen Arbeiter am 1. Mai den Ruf nach dem achtstündigen Arbeitstag erschallen lassen. Erheben auch wir unsere Stimme, und fordern wir die Beschränkung der Arbeitszeit auf 8 Stunden, denn nur dann können wir körperlich und geistig aufleben, nur dann können die Arbeiter die nötige Zeit finden, um sich aufzuklären, sich in Organisationen zusammenzuschließen und so ihre endgültige Befreiung durch den Sozialismus vorzubereiten und zu beschleunigen.

Aber außerdem und vor allem müssen wir gemeinsam mit den Arbeitern des ganzen russischen Reichs, Deutsche, Polen wie Russen, am 1. Mai den Ruf erheben: Nieder mit der zarischen Regierung, fort mit den Schergen des Despotismus! Bevor der zarische Despotismus, der vor der Revolution hinter den Wandschirm der gefälschten „Volksvertretung“ – der Duma der Junker und der Kapitalisten – sich verkrochen, nicht gänzlich beseitigt, bevor wir nicht eine freie Republik bekommen, in der alle Gesetze durch die wirklichen und echten Vertreter des ganzen Volkes

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