Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 337

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Die Maifeier ist zugleich ein Ruf nach Weltfrieden und Völkerverbrüderung, ein Protest gegen die brutale Gewalt des Klassenstaates, den Militarismus. Der gegenwärtige Wahlrechtskampf hat den Massen des Proletariats in Preußen wieder die Bedeutung dieser brutalen Waffe des herrschenden Staates so recht zum Bewußtsein gebracht. Der blanke Polizeisäbel und die im Hinterhalt mit scharfer Munition geladene Kanone waren ja die erste Antwort der preußischen Reaktion auf die Forderungen der Arbeiterschaft. Und haben wir es auch durch die unerschütterliche Kampfposition unsererseits fertiggebracht, daß der rasselnde Polizeisäbel vorläufig in die Scheide zurückgesteckt worden ist, so schleppte sich doch noch selbst den vergangenen Demonstrationen ein Rattenschwanz von Prozessen gegen unsere Demonstranten und unsere Presse nach, als deren Folge die Kämpfer um das gleiche Wahlrecht im Gefängnis ihren freventlichen Widerstand gegen Polizeibrutalitäten noch nachträglich abbüßen müssen. Die Empörung und der Haß gegen die Säbelmacht des kapitalistischen Staates als Waffe der Unterdrückung fremder Völker und als Waffe der Versklavung gegen den „inneren Feind“, die aufstrebende Arbeiterklasse, müssen in diesem Jahre bei der Maifeier einen lauteren, kräftigeren Ausdruck finden als je zuvor.

Der Same des Sozialismus, des Klassenkampfes, trägt tausendfältige Frucht, seine Körner werden durch alle Winde hinausgestreut, und auch auf dem härtesten, unbeackerten Boden keimt schon die erste grüne Saat. Die „christlich-nationalen Arbeiter“, die evangelischen Vereine haben die Idee der Maifeier in ihrer Weise übernommen: Sie schlagen vor, am 1. Mai eine internationale Kundgebung der Proletarier für den Weltfrieden in Gestalt von Straßenumzügen mit Gesang und gleichzeitigem Gottesdienst in verschiedenen Ländern, zunächst in Deutschland und in England, zu veranstalten. Mit Stolz und mit Freude begrüßen wir diese Zeichen der Zeit: Es ist unser Werk, es ist der Siegeszug unserer Ideen, was hier zunächst im schief en Spiegel der „christlich-nationalen“ Weltanschauung erscheint. Und sicher ist es auch ein Echo der allgemeinen Hebung der Kampfstimmung, des Idealismus in den Massen des Proletariats, die wir durch unseren Wahlrechtskampf, durch unsere Massendemonstrationen ausgelöst haben.

Um so freudiger, um so energischer muß in diesem Jahre unser Banner am 1. Mai erhoben werden, das Banner des Sozialismus, und unser „Gottesdienst“ für den Weltfrieden, die Demonstration des proletarischen Klassenbewußtseins.

Bis jetzt haben wir die durch Arbeiterbataillone errungene Demonstra‑

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