Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 338

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-2/seite/338

tionsfreiheit mit den bürgerlichen Demokraten[1] geteilt. Am vorletzten Sonntag erschienen auch diese spärlichen Vertreter der bürgerlichen Wahlrechtsfreunde an unserer Seite. Bei der Maifeier wird der Wahlrechtskampf als proletarische Klassenaktion noch reiner zum Ausdruck kommen. Da werden wir ohne die bürgerlichen Demokraten demonstrieren. Aber da werden neben uns andere, mächtigere und natürlichere Bundesgenossen Schulter an Schulter demonstrieren: die Proletarier ganz Deutschlands und das internationale sozialistische Proletariat. So wird erst unser preußischer Wahlrechtskampf auch nach außen hin seinen richtigen Rahmen erhalten als ein Abschnitt und eine Etappe des großen internationalen Vormarsches der Arbeiterklasse zum sozialistischen Endziel.

Ein gewaltiges Stück Aufklärung kann also in diesem Jahre durch die Maifeier geleistet werden. Die Agitation für eine machtvolle Massendemonstration am 1. Mai muß unverzüglich einsetzen und mit Anspannung aller Kraft geführt werden.

Der parlamentarische Abschnitt in der Geschichte der Wahlreform ist zu Ende. Jetzt beginnt die Auseinandersetzung des Proletariats mit der Reaktion von Angesicht zu Angesicht. Die Maifeier ist unsere nächste Kundgebung im Wahlrechtskampfe.

Bremer Bürger-Zeitung,
Nr. 94 vom 23. April 1910.

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[1] Rudolf Breitscheid war von 1908 bis 1912 Vorsitzender der Demokratischen Vereinigung, die 1908 durch Abspaltung einer bürgerlich-demokratischen Gruppe von der Freisinnigen Vereinigung entstanden war. Er sprach sich im Rahmen der Wahlrechtskämpfe für die Anwendung demokratischer Kampfmittel wie z. B. der Straßendemonstrationen aus. – Professor Franz von Liszt gehörte 1910 zu den Mitbegründern der Fortschrittlichen Volkspartei.