Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 332

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uns auch das gleiche Wahlrecht in Preußen sein. Gerade darin liegt aber die Gewähr für die historische Notwendigkeit und Sicherheit unseres Sieges im preußischen Wahlrechtskampf, daß er nur eine Schlacht unseres sozialistischen Klassenkampfes ist.

Werte Anwesende! Wir haben, so habe ich eingangs erwähnt, den ersten Sieg im Kampfe erfochten, indem wir das Recht auf die Straße, auf die Massendemonstrationen durchgesetzt haben. Es ist nun das erste Gebot jeder echten Kampftaktik und der revolutionären Taktik, jede Position, die man dem Gegner entrissen hat, sofort bis auf den letzten Fußbreit zu besetzen, um die ganze Schlachtlinie vorwärts zu rücken. Deshalb wollen wir nicht das errungene Recht auf die Straße, etwa wie artige Kinder ein Geschenk, mit Zurückhaltung und Vorsicht benutzen, sondern wir wollen es bis zum äußersten ausnutzen als unser gutes, ertrotztes Recht. Schon harrt unser die nächste Gelegenheit, wo wir in ganz Preußen zeigen können, daß wir für das wirklich errungene neue Recht auch politisch reif sind. Die nächste Gelegenheit, von der ich spreche, ist die Maifeier. Parteigenossen! Obwohl die Maifeier in diesem Jahre auf einen Sonntag fällt und wir sie nicht durch die Arbeitsruhe feiern können, so müssen wir gerade, dank der allgemeinen Erregung der Geister, dank der Aufrüttelung der breiten Schichten des Proletariats und dank dem neuerrungenen Recht auf die Straße, die Möglichkeit ergreifen, die Maifeier aus der Versumpfung herauszureißen, in die sie in den letzten Jahren leider geraten ist. Wir haben die Pflicht, die Maifeier in diesem Jahre zu einer so machtvollen Demonstration der Massen zu gestalten wie noch nie zuvor. (Stürmischer Beifall.) Ich habe vorhin erwähnt, daß wir in den bisherigen Demonstrationen für das freie Wahlrecht in Preußen neben uns hier und da bürgerliche Demokraten auftreten sahen, die sich dank der Aktion des Proletariats wenigstens als Vertreter einer ausgestorbenen Rasse der Welt präsentieren konnten. Am 1. Mai werden bürgerliche Demokraten nicht neben uns demonstrieren. Nun, wir trösten uns damit, daß an diesem Tage zuverlässigere, natürliche Bundesgenossen unser harren: die klassenbewußten Proletarier des ganzen Deutschen Reiches und das Proletariat der Welt. Durch die Vereinigung unseres Wahlrechtskampfes mit den Losungen des 1. Mai, mit dem Achtstundentag, dem Weltfrieden, dem internationalen Sozialismus, bekommt die preußische Wahlrechtsbewegung erst den richtigen Rahmen eines sozialistischen Klassenkampfes, und damit wird unser preußisches Wahlrechtsfähnlein an ein größeres Banner, an das Banner der internationalen Sozialdemokratie, geheftet.

Werte Anwesende! Es ist jetzt unsere Aufgabe, jede Gelegenheit zu be-

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