hätte. Unter dem Zwang der Verhältnisse hätte sich also das Zentrum schweren Herzens zu der Konzession verstehen müssen. Aber die Partei für „Wahrheit, Freiheit und Recht“ hatte diesmal Pech. Es sollte sich sehr bald herausstellen, wie sich die Dinge in Wirklichkeit abspielten. Die Konservativen selbst haben aus der Schule geplaudert, und so wurde bekannt, wie der Kuhhandel in der Kommission in Wirklichkeit vor sich gegangen ist. Denn Sie wissen, werte Anwesende, aus alter Erfahrung, daß, wenn sich solche Ehrenmänner wie das Zentrum und das Junkertum einmal überwerfen, daß dann anständige Leute manchmal in die Lage kommen, die Wahrheit zu erfahren. Es war nämlich ein konservativer Landtagsabgeordneter, Herr Gescher, gerade der nämliche, welcher den Schacher zwischen den Konservativen und dem Zentrum in der Kommission vermittelt hatte, der in einer Provinzialversammlung des Bundes der Landwirte in Westfalen die Karten aufdeckte. Er hat in jener ehrenwerten Versammlung über die Verhandlungen in der Kommission folgendes erzählt:
„Das geheime Wahlrecht wurde angenommen. In diesem Stadium der Sache machte uns (den Konservativen) das Zentrum folgenden Vorschlag: Mit der geheimen Wahl sind Sie unterlegen. Aber es ist uns sehr darum zu tun, daß Sie mit uns gehen. Da wollen wir Ihnen eine Konzession machen, wenn Sie dann später bei der Gesamtabstimmung für uns stimmen.[1] Und zwar bot uns das Zentrum das indirekte Wahlrecht, die Wahlmänner, an, die die Regierungsvorlage nicht hatte.“
So, werte Anwesende, haben sich die Dinge abgespielt. Das Zentrum hat nicht bloß zugestimmt, nein, es hat selbst vorgeschlagen, daß die indirekte Wahl wieder in die Vorlage eingeführt werden soll. Es hat selbst den Konservativen diese Verhöhnung der Wünsche des Proletariats auf dem Präsentierteller entgegengebracht.
So ist es denn dahin gekommen, daß wir aus den Händen des Zentrums und der Konservativen, der beiden reaktionärsten Parteien Preußen-Deutschlands, jene Spottgeburt empfangen haben, die man die preußische „Wahlreform“ nennt. Wenn die anderen Parteien, wenn die Freikonservativen[2], wenn die Nationalliberalen bis jetzt grollend beiseite stehen und sich gegen die Vorlage wenden, so geschieht es deshalb, weil ihnen die bisherige Fassung in verschiedenen Punkten noch nicht reaktionär genug erscheint. Und es ist für unsere gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Preußen höchst bezeichnend, daß man bis jetzt nicht einmal der Beihilfe der Nationalliberalen, der Mitwirkung der Freikonservativen be-