Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 31

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lich von den in der Revolution gereiften gesellschaftlichen Verhältnissen durchdrungen ist, die Regierungsfunktion zurückgeben.

Es genügt, daß wir uns dieser Grundlagen und dieses Wesens des bisherigen Verlaufes der Revolution und ihrer Siege bewußt werden, um zu verstehen, worauf die Garantien ihres weiteren Schicksals beruhen und was getan werden muß.

Im gegenwärtigen Moment durchläuft die Revolution eine dieser scheinbaren Pausen, in denen das von ihr schon geschaffene riesige Werk, ihre Triumphe und Siege gewissermaßen aus dem Blickfeld verschwinden, sich verkleinern, und die Zuschauer des revolutionären Kampfes beginnen an die Möglichkeit ihrer völligen Unterdrückung durch die Bajonette oder auch der Erschöpfung der Revolution selbst durch die Ermüdung der Kämpfenden zu glauben. Das eine und das andere ist in der Geschichte der vorherigen wirklich der Fall gewesen. Jedoch die, die nur auf dieser Grundlage bereit sind, dasselbe Schicksal der gegenwärtigen Revolution in jeder zeitweiligen Pause zu erwarten, beweisen nur, wieweit sie die einfache Tatsache nicht verstehen, daß jede Revolution den eisernen Gesetzen der historischen Logik unterliegt und daß ihr Schicksal, ihre Niederlagen und ihre Siege, keineswegs ein Werk des Zufalls, sondern immer das notwendige Resultat der politischen Gegebenheiten und der gesellschaftlichen Verhältnisse sind.

Sowohl die Erschöpfung irgendeiner Revolution als auch ihre Unterdrückung an einem bestimmten Punkt durch die Kraft der Bajonette ist durchaus möglich, aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Sie waren nämlich bisher eine regelmäßige Erscheinung der modernen bürgerlichen Revolutionen, in denen die Führerin der Bewegung zwar die Bourgeoisie war, die aber gezwungen war, überall die Massen des Kleinbürgertums und des Proletariats, ohne die keine Revolution hätte stattfinden können, in den Kampf einzubeziehen und in seinen Strudel hineinzureißen. Die Teilnahme der arbeitenden Masse, und zwar des Proletariats, drängte die bürgerlichen Revolutionen immer zu Losungen und Forderungen, die viel weiter gingen und viel radikaler waren, als es den Plänen und Interessen der führenden Bourgeoisie und zugleich der Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung entsprach. Infolgedessen war eine regelmäßige Erscheinung dieser Revolutionen die Ermüdung und der plötzliche Verfall der Energie gerade in dem Moment, in dem der Kampf auf dem Höhepunkt seiner Kraft und seines Schwunges zu sein schien, denn gerade dann fühlten die die Bewegung führenden bürgerlichen Klassen und Parteien, daß die Strömung der Revolution sie allzuweit getragen

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