Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 30

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gerlichen Gesellschaft unentbehrlichen öffentlichen Volksbildung nicht sichern, denn die Revolution hat die staatlichen Lehranstalten auf der ganzen Linie geschlossen. Sie kann den in einem modernen Staat unentbehrlichsten Faktor des wirtschaftlich-gesellschaftlichen Lebens nicht aufrechterhalten: den Verkehr, denn die Revolution hat das Kommando über den Verkehr der Eisenbahnen, der Post, der Telegrafen und der Stadtbahnen übernommen. In allen Punkten hat die Revolution die grundlegenden Regierungsfunktionen der zaristischen Bande aus der Hand geschlagen, die keine Regierungsform mehr ist, sondern eine Organisation der Gewalt, die alle ihre Kräfte für die Unterdrückung der Revolution verbraucht. Die Konterrevolution ist heute die einzige Funktion des Absolutismus, die eigentliche Regierung, das heißt, die Regelung der Beziehungen in der Wirtschaft, zwischen den Klassen, in der Politik und in der Öffentlichkeit, ist auf die Revolution übergegangen. Nur stumpfe Gehirnkästen zaristischer „Staatsmänner“ von Durnowos Kaliber können davon träumen, alle verlorenen Regierungsfunktionen auf dem Wege der konstitutionellen Flickerei oder mit einem größeren oder kleineren Blutvergießen wieder an sich zu reißen. Denn diese Herrschaft der Revolution auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, die von der Bourgeoisie „Chaos“ und „Anarchie“ genannt wird, ist nichts anderes als der Ausdruck dafür, daß die Gesellschaft und ihre Klassenverhältnisse wirklich schon aus dem Rahmen des Absolutismus herausgewachsen sind. Jahrhundertelang hielt sich und existierte die zaristische Regierung durch die Unaufgeklärtheit, die politische Unreife der Millionen des arbeitenden Volkes, das die Feindschaft seiner Interessen mit denen der herrschenden Klassen nicht verstand, das die Notwendigkeit des Klassenkampfes und der zu diesem Zweck unerläßlichen politischen Freiheit nicht verstand und nicht empfand. Heute haben die breiten Arbeitermassen im ganzen Staat ihre Klasseninteressen verstanden, sie führen einen täglichen Massenkampf mit der Bourgeoisie, und in dem gleichen Maße wurde der Absolutismus unmöglich, der Klassenkampf des Proletariats hat ihn schon gesprengt, wie eine stürmische Welle seinen Rahmen überschritten, ihn seines Inhalts und seiner gesellschaftlichen Funktionen entblößt. Da folglich das, was die Bourgeoisie das „Chaos“ und die „Anarchie“ der Revolution nennt, die einfache Bekundung der Reife des Klassenkampfes des Proletariats ist, der sich im Feuer der Revolution selbst unerhört gesteigert hat, können eben keine Kräfte, kann keine Macht diese Sachlage rückgängig machen, durch keine Flickerei mit halben Mitteln und elenden Konstitutiönchen noch durch Gewalt und Mord dem Absolutismus, der bereits unwiderruf-

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