Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 283

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schen Arbeitervereine[1] über die unvermeidliche innere Spaltung in ihrem Schoße: Lieber zehn sichere als dreißig schwankende Vereine![2] Ein Jahr darauf löst er mit entschlossener Hand den besten Kern dieser Vereine von der bürgerlich-demokratischen Gefolgschaft und gründet zusammen mit Liebknecht die Sozialdemokratische Arbeiterpartei[3]. Als in demselben Jahre infolge der Beschlüsse des Baseler Kongresses der Internationale die Grund- und Boden-Frage im Brennpunkt des Interesses stand[4] und zum Erkennungswort des Sozialismus wurde, als jene Beschlüsse der jungen sozialdemokratischen Bewegung den grimmigsten Haß der Bourgeoisie zuzogen, war Bebel der erste in der Eisenacher Partei, der sich offen zur revolutionär-sozialistischen Lösung der Grund-und Boden-Frage bekannte[5] und sich dadurch zugleich auf die Seite der Internationale im Marxschen Sinne stellte.

Im deutschen Reichstag führte Bebel vom ersten Augenblick an, wo er allein die Sozialdemokratie vertrat, wie später an der Spitze einer wachsenden Schar von Abgeordneten denselben zähen Kampf wie vorher im Parlament des Norddeutschen Bundes. Er verfocht alle Verbesserungen in der Lage der Arbeiter, er leistete alle praktische Parlamentspolitik, die unter den gegebenen Umständen irgend zu leisten war. Als sich aber auf die gefallene Pariser Kommune alle Geier der bürgerlichen Reaktion stürzten, entrollte Bebel im reichsdeutschen Parlament entschlossen die revolutionäre Standarte und rief laut: „… seien Sie fest überzeugt, das ganze europäische Proletariat und alles, was noch ein Gefühl für Freiheit und Unabhängigkeit in der Brust trägt, sieht auf Paris …, und wenn auch im Augenblick Paris unterdrückt ist, dann erinnere ich Sie daran, daß

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[1] Der Vereinstag des Verbandes Deutscher Arbeitervereine fand vom 5. bis 7. September 1868 in Nürnberg statt.

[2] August Bebel hatte in seinem Brief vom 22. Juni 1868 an Friedrich Albert Lange geschrieben: „Wir wissen, daß es zu harten Kämpfen, möglicher-, ja wahrscheinlicherweise zu einer Spaltung kommen wird. Wir halten das aber für kein Unglück; denn zehn überzeugungstreue sichere Vereine sind uns lieber als dreißig schwankende oder solche, die sich zu Schleppträgern des Gothaertums und der Bourgeoisie hergeben.“ (August Bebel: Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 1, Berlin 1970, S. 556.)

[3] Der Gründungskongreß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei fand vom 7. bis 9. August 1869 in Eisenach statt.

[4] Der Kongreß der I. Internationale in Basel fand vom 6. bis 11. September 1869 statt. Es war über das gesellschaftliche Eigentum an Grund und Boden beraten und beschlossen worden, daß die Gesellschaft das Recht besitze, das Privateigentum an Grund und Boden abzuschaffen und in gemeinsames Eigentum umzuwandeln.

[5] Am 6. Juni 1870 hatte August Bebel auf dem Kongreß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Stuttgart die Notwendigkeit begründet, Grund und Boden in Gemeineigentum umzuwandeln, um die Bauern als Bundesgenossen der Arbeiterklasse zu gewinnen. Eine entsprechende Resolution Bebels war vom Kongreß angenommen worden.