Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 211

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nicht, deren ideologische Wortführerin die „Neue Rheinische Zeitung“ war. Aber K. Marx führte gerade diese Politik im ersten Jahr der Revolution mit eiserner Konsequenz durch. Zweifelsohne bestand diese Politik darin, daß Marx den Kampf der Bourgeoisie gegen den Absolutismus mit allen Mitteln unterstützte. Worin bestand nun diese Unterstützung? Darin, daß er von Anfang bis zu Ende die ganze Zwiespältigkeit und Inkonsequenz, die ganze Schwäche und Feigheit der bürgerlichen Politik unerbittlich und erbarmungslos geißelte (Beifall der Bolschewiki und eines Teils des Zentrums.); darin, daß er ohne das geringste Schwanken jede Aktion der Arbeitermassen unterstützte und verteidigte – nicht nur die Aktion, die den ersten vorübergehenden Sieg mit sich brachte, den 18. März[1], sondern auch den denkwürdigen Sturm auf das Berliner Zeughaus am 14. Juni[2], von dem damals und auch später in den bürgerlichen Reihen so hartnäckig behauptet wurde, daß er eine dem Proletariat gestellte Falle gewesen sein, und die Septemberaufstände und den Oktoberaufstand in Wien[3], diese letzten Versuche der Arbeitermassen, die Revolution zu retten, die am Schwanken und am Verrat der Bourgeoisie zugrunde ging. Er unterstützte die nationalen Bewegungen des Jahres 1848, da er sie als Verbündete der Revolution betrachtete. Die Politik von Marx bestand darin, daß er die Bourgeoisie ständig bis an die äußerste Grenze der revolutionären Situation vorantrieb. Ja, Marx unterstützte die Bourgeoisie in ihrem Kampfe gegen den Absolutismus, aber er unterstützte sie mit der Peitsche und mit Fußtritten. Marx betrachtete es als einen unverzeihlichen Fehler, daß das Proletariat nach seinem ersten kurzfristigen Sieg am 18. März die Bildung des verantwortlichen bürgerlichen Ministeriums Camphausen-Hansemann zuließ. Aber da die Bourgeoisie nun einmal an die Macht gelangt war, forderte Marx von ihr vom ersten Augenblick an, daß sie die revolutionäre Diktatur verwirkliche. Er erklärte in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ kategorisch, daß die Übergangszeit nach jeder Revolution eine ganz energische Diktatur erfordere. Marx begriff nur zu gut die ganze Machtlosigkeit der deutschen „Duma“ – der Frankfurter Nationalversammlung –, aber er sah darin keine mil‑

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[1] Berliner Arbeiter, Kleinbürger und Studenten nahmen am 18. März 1848 den Kampf mit dem preußischen Militär auf, errichteten Barrikaden und fügten den preußischen Truppen eine Niederlage zu. Friedrich Wilhelm IV. wurde gezwungen, das Militär aus Berlin zu entfernen.

[2] Am 14. Juni 1848 stürmten Berliner Arbeiter und Handwerker das Zeughaus und bewaffneten sich. Der Aufstand wurde von Militär und Bürgerwehr niedergeschlagen, und die Arbeiter wurden wieder entwaffnet.

[3] In Wien hatten sich Arbeiter, Studenten und andere revolutionäre Kräfte zum bewaffneten Kampf erhoben, um den Abtransport der in Wien stationierten deutschen und italienischen Regimenter zur Niederschlagung der ungarischen Freiheits- und Unabhängigkeitsbewegung zu verhindern.