Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 108

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Arbeit zum Stillstand zu bringen. Bald herrscht in der ganzen Stadt der Generalstreik. – In Kiew beginnt am 21. Juli der Ausstand in den Eisenbahnwerkstätten. Auch hier sind der nächste Anlaß miserable Arbeitsbedingungen, und es werden Lohnforderungen aufgestellt. Am anderen Tage folgen dem Beispiel die Gießereien. Am 23. Juli passiert darauf ein Zwischenfall, der das Signal zum Generalstreik gibt. In der Nacht wurden zwei Delegierte der Eisenbahnarbeiter verhaftet; die Streikenden fordern sofort ihre Freilassung, und als dies nicht erfüllt wird, beschließen sie, die Eisenbahnzüge nicht aus der Stadt herauszulassen. Am Bahnhof setzen sich auf den Schienenstrang sämtliche Streikenden mit Weib und Kind – ein Meer von Menschenköpfen. Man droht mit Gewehrsalven. Die Arbeiter entblößen darauf ihre Brust und rufen: „Schießt!“ Eine Salve wird auf die wehrlose, sitzende Menge abgefeuert und 30-40 Leichen, darunter Frauen und Kinder, bleiben auf dem Platze liegen. Auf diese Kunde erhebt sich am gleichen Tage ganz Kiew zum Streik. Die Leichen der Ermordeten werden von der Menge emporgehoben und in einem Massenzug herumgetragen. Versammlungen, Reden, Verhaftungen, einzelne Straßenkämpfe – Kiew steht mitten in der Revolution. Die Bewegung geht bald zu Ende; dabei haben aber die Buchdrucker eine Verkürzung der Arbeitszeit um eine Stunde und eine Lohnerhöhung um einen Rubel gewonnen; in einer Hefefabrik ist der Achtstundentag eingeführt worden; die Eisenbahnwerkstätten wurden auf Beschluß des Ministeriums geschlossen; andere Branchen führten partielle Streiks um ihre Forderungen weiter. – In Nikolajew bricht der Generalstreik unter dem unmittelbaren Eindruck der Nachrichten aus Odessa, Baku, Batum und Tiflis aus, trotz des Widerstandes des sozialdemokratischen Komitees, das den Ausbruch der Bewegung auf den Zeitpunkt hinausschieben wollte, wo das Militär zum Manöver aus der Stadt ziehen sollte. Die Masse ließ sich nicht zurückhalten; eine Fabrik machte den Anfang, die Streikenden gingen von einer Werkstatt zur anderen, der Widerstand des Militärs goß nur Öl ins Feuer. Bald bildeten sich Massenumzüge mit revolutionärem Gesang, die alle Arbeiter, Angestellten, Trambahnbedienstete, Männer und Frauen, mitrissen. Die Arbeitsruhe war eine vollkommene. – In Jekaterinoslaw beginnen am 5. August die Bäcker, am 7. die Arbeiter der Eisenbahnwerkstätte, darauf alle anderen Fabriken den Streik; am 8. August hört der Trambahnverkehr auf, die Zeitungen erscheinen nicht. – So kam der grandiose Generalstreik Südrußlands im Sommer 1903 zustande. Aus vielen kleinen Kanälen partieller ökonomischer Kämpfe und kleiner „zufälliger“ Vorgänge floß er rasch zu einem gewaltigen Meer zusammen

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