Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 84

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Die Forderung nach dem obligatorischen Schulbesuch für Kinder der ganzen arbeitenden Bevölkerung bliebe nur ein leeres Wort, wenn die Sozialdemokratie nicht gleichzeitig fordere, daß die Beschäftigung Minderjähriger bis zu 14 Jahren gesetzlich verboten werde. Um den Kindern der Arbeiterklasse die Möglichkeit zu geben, ihren Schulunterricht im dafür besten Alter zu genießen, und um zugleich das Proletariat wenigstens im jüngsten Alter vor den für die Gesundheit mörderischen Einflüssen der Fabrikarbeit und der Landarbeit zu bewahren, müssen die Kinder des Volkes durch ein gesetzliches Verbot dem erbarmungslosen Kapital aus dem gefräßigen Rachen gerissen werden.

Die reiche Bourgeoisie schützt ihre eigenen Kinder möglichst lange vor jeder Arbeit, umgibt sie mit Bequemlichkeiten und sogar mit Luxus und pflegt ihre Gesundheit sorgfältig, wobei sie eine ganze Menge von Lohndienern braucht: Ammen, Wärterinnen, Dienstmädchen, Gouvernanten und Bonnen, um ihre künftigen Erben zu erziehen. Die Kinder des Proletariats dagegen verurteilen die Kapitalisten zu schwerer Arbeit, schlechter Ernährung und zum Mangel an jeder Fürsorge durch die Eltern, da diese an die Arbeitssklaverei gefesselt sind.

Indessen ist das Kindes- und Jugendalter den schädlichen Einflüssen der Lohnarbeit am meisten ausgesetzt. Im jugendlichen Alter nimmt der Proletarier oftmals schon die Keime der Krankheit und des vorzeitigen Todes in sich auf. Und außerdem wird der Schutz der Kinder des Proletariats vor schwerer Lohnarbeit und vor dem Verlassen des Elternhauses auf der Suche nach Brot sowie die Einschränkung der Arbeitszeit der Jugendlichen das Familienleben des Arbeiters, das durch die kapitalistische Ordnung zerstört wurde, wenigstens ein bißchen verbessern;

d) gesetzliche Vorschriften zum Schutz der Gesundheit und des Lebens der Arbeiter in den Fabriken, Werkstätten, Gruben, in der Landwirtschaft und bei der Heimarbeit (Arbeitshygiene).

Die Unternehmer halten den zur Arbeit gedungenen Proletarier für eine Maschine, aus der sie so viel Profit herauspressen können, wie sie nur vermögen. Wenn er ihn beschäftigt, hat der Kapitalist nur ein Ziel im Auge: daß der Arbeiter soviel wie möglich für ihn arbeitet, aber dabei sowenig wie möglich kostet. Einsparung von Kapital – das ist die große Sorge der Unternehmer. Also bauen sie für die Arbeiter oftmals enge und niedrige Fabriksäle und Werkstätten, ohne Entlüftung, so daß die Arbeiter nicht genug Luft zum Atmen haben, wo sie Staub, Ruß und verschiedene giftige Gase einatmen müssen. Ebenfalls zur Einsparung von Kapital sind die Maschinen gewöhnlich ohne Schutzvorrichtungen und

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