Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 79

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Lohn zahlt, nein, sie entreißt ihnen auch noch einen Teil dieses Lohnes für Steuern und bürdet den Arbeitern den Unterhalt der Staatsmaschinerie auf.

Die Sozialdemokratie fordert, daß nicht die Ärmsten die Last des Unterhalts des kapitalistischen Staates tragen, sondern die Wohlhabenden, vor allem jedoch die Kapitalisten selbst. Dem Stadt- und Landarbeiter darf die Regierung nicht auch noch den Bissen entreißen, den ihm die Ausbeutung der Kapitalisten gelassen hat. Deshalb fordert die Sozialdemokratie die völlige Aufhebung aller Zölle, Akzisen und Verbrauchsteuern, damit alle lebensnotwendigen Waren billiger werden und sich die werktätige Bevölkerung aus dem Elend und dem Mangel ein wenig aufrichten kann. Für den Unterhalt des Staates und der Regierung muß dagegen nur eine gestaffelte Steuer vom Einkommen, vom Vermögen und von den Erbschaften eingeführt werden. Das bedeutet eine Steuer, die erst bei den mittleren Einkommen einsetzt und sich mit der Größe des Vermögens, des Einkommens oder der Erbschaft steigert, damit die Reichsten am meisten zahlen. Wenn beispielsweise ein Mensch, der ein Jahreseinkommen von 1000 Rubel besitzt, 1 Prozent Einkommensteuer zahlen sollte, so müßte derjenige, dessen Einkommen 10 000 Rubel beträgt, der also schon im Überfluß lebt, nicht mehr 1 Prozent, sondern mindestens 5 Prozent Steuern zahlen, wer ein Einkommen von 50 000 Rubel hat, müßte mindestens 10 Prozent, wer 100 000 Rubel jährlich hat, müßte 25 Prozent Steuern zahlen usw. Auf die gleiche Weise sind der Besitz und die Erbschaften progressiv zu besteuern, damit die Steuer dem Vermögen und dem Reichtum entsprechend ansteigt. Sobald die Herren Kapitalisten und Großgrundbesitzer in dieser Weise den Unterhalt von Regierung und Militär aus eigener Tasche bestreiten müßten, würden sie sofort die Lust verlieren, Hunderte von Millionen jährlich für Kanonen und Panzerschiffe, für höfische Schmarotzer und für das das Volk bedrückende Beamtengesindel hinauszuwerfen;

14. die Arbeiterschutzgesetzgebung

Außer politischen Rechten, die der Arbeiterklasse den freien und offenen Kampf für ihre Befreiung ermöglichen, brauchen die Arbeiter noch besondere Gesetze, die ihr Leben und ihre Gesundheit vor der Habgier der Kapitalisten schützen. Das herrschende Kapital kennt in seinem Profitstreben keine Grenzen, keine Rücksichten, kein Erbarmen für den Lohnarbeiter. In ihrer Jagd nach dem Profit sind die Fabrikanten wie auch die Großgrundbesitzer bereit, das arbeitende Volk durch übermenschliche Arbeit, durch mörderische Arbeitsverhältnisse zu vernichten, weder Männer noch Frauen, weder Greise noch Kinder verschonend. Dort, wo

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