Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 75

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Statt dessen ist das Volk um so begieriger nach Wissen und Bildung. Tausende von Talenten und Begabungen verkümmern im Volk und gehen

zugrunde, weil die Jungen und Mädchen aus dem Volk, und wären sie noch so lerneifrig, statt nach dem Buch nach Kelle und Nadel greifen müssen. Währenddessen sitzen die Kinder der wohlhabenden Klassen, auch die unbegabtesten und faulsten, manchmal ihr halbes Leben auf den Bänken der Schulen und Universitäten, deren Unterhalt vom Blutgeld des Volkes bestritten wird, ohne daß die Gesellschaft später einen Nutzen davon hat. Ebenso wie die materiellen Reichtümer und Genüsse haben die herrschenden Klassen auch die geistigen Reichtümer ausschließlich an sich gerissen und verurteilen die Millionenmassen des Volkes zu einem Leben in Unwissenheit und geistiger Armut.

In Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse fordert die Sozialdemokratie, daß Wissenschaft und Schule für alle da sein müssen. Der Staat, der von der Arbeit des Volkes lebt, ist verpflichtet, eine genügende Anzahl Schulen mit einer ausreichenden Anzahl gut bezahlter Lehrer zu gründen, damit alle Eltern die Möglichkeit haben, ihre Kinder unentgeltlich zur Schule zu schicken, und sie müssen gesetzlich dazu verpflichtet sein.

Doch es genügt nicht, daß die Volksschule obligatorisch und unentgeltlich für alle ist. Das Arbeitervolk ist infolge der kapitalistischen Ausbeutung nicht in der Lage, seinen Kindern die für den Unterricht notwendigen Schulbücher und Hefte zu verschaffen; ja größtenteils sind die Eltern aus dem Volk nicht einmal in der Lage, ihren Kindern während der Schuljahre den Unterhalt zu geben, deshalb müssen die Arbeiter- und Landarbeiterkinder schon im zwölften oder sogar im zehnten Lebensjahr dem Erwerb nachgehen. Unter den heutigen Verhältnissen wären die Volksschulen, selbst wenn genug davon da wären und wenn sie unentgeltlich wären, für Zehntausende von Arbeiterkindern eine verbotene Frucht. In allen Ländern haben die Volksschullehrer schon wiederholt festgestellt, daß die Kinder der armen Bevölkerung, die oftmals in die Schule kommen, ohne einen Bissen Nahrung im Mund gehabt zu haben, und während des Unterrichts fast ohnmächtig vor Hunger werden, nicht in der Lage sind, dem Unterricht richtig zu folgen. Um den Kindern des werktätigen Volkes die Möglichkeit zu geben, tatsächlich den Unterricht in der unentgeltlichen Schule genießen zu können, ist der Staat verpflichtet, ihnen auf Kosten der Gesellschaft alle Unterrichtsmittel – Bücher, Hefte – wie auch Kleidung und Nahrung während der Schulzeit zu liefern. Diese Einrichtung ist bereits in vielen Gemeinden in Frankreich eingeführt worden, wo

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