Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 550

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ist, ergibt sich also aus dem Wesen der Sache selbst und aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Diesem Gedanken hat auch der Parteivorstand Ausdruck gegeben, als er vor einigen Jahren ein Drittel des Schülerkontingents der Parteischule den Gewerkschaften zur Besetzung überließ, wovon jedoch bis jetzt nur zwei Zentralverbände – der Maurer- und der Bergarbeiterverband – regelmäßig durch Absendung von je zwei Schülern Gebrauch machen.

So treffend der Grundgedanke, so beruhen doch die aus ihm abgeleiteten Wünsche einer Verschmelzung oder Kombinierung der Gewerkschaftsschule und der Parteischule auf einer mangelnden Kenntnis der Tatsachen. Die beiden Schulen sind auf gänzlich verschiedener Grundlage errichtet, sie stellen zwei ganz verschiedene Typen dar. Wir meinen damit nicht etwa die Richtung einiger Lehrer der Gewerkschaftsschule, die bekanntlich nicht auf dem Boden der Marxschen Lehre stehen. Die geistige Kost zu bestimmen, die den Schülern der Gewerkschaften geboten wird, ist Sache der leitenden Instanzen der Gewerkschaftsbewegung, ihrer Ansichten und Überzeugungen. Es gibt aber noch andre wichtige Standpunkte, die in Betracht kommen, die aber seltsamerweise bis jetzt noch gar nicht berücksichtigt worden sind: Das sind rein pädagogische Standpunkte, Fragen der Zweckmäßigkeit in der Einrichtung der Schule als eines Bildungsinstituts für Proletarier. Die Arbeiterbewegung hat hier mit der Schaffung ihrer beiden Schulen ein noch nicht erprobtes Gebiet beschritten, gewissermaßen ein neues Experiment versucht, und die rein praktische Seite des Gelingens oder Mißlingens dieses Experiments ist an sich schon von großem Interesse für die weiteren Kreise der klassenbewußten Arbeiter.

Vom pädagogischen Standpunkte nun ist die Parteischule in jeder Hinsicht grundverschieden von der Gewerkschaftsschule organisiert. Der Kontrast beginnt schon mit der Anzahl der gleichzeitig an einem Kursus teilnehmenden Schüler. Wir kritisieren die Volksschule wegen der so häufigen Überfüllung der Schulklassen, die einen rationellen Unterricht und namentlich eine einigermaßen individuelle Behandlung der Schüler unmöglich machen. Dasselbe bezieht sich aber noch mehr auf lernende erwachsene Proletarier. Hier tritt als erste Bedingung eines gedeihlichen Unterrichts die Diskussion, die freie Aussprache der Schüler mit dem Lehrer in den Vordergrund. Nur bei regem Gedankenaustausch läßt sich die Aufmerksamkeit, die Anspannung der Geister bei dem sonst an geistige Arbeit nicht gewöhnten und deshalb leicht ermüdenden Proletarier erzielen. Diese Lehrmethode empfiehlt sich aber noch besonders aus dem Grunde, weil ein Bildungsinstitut für proletarische Klassenkämpfer in

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