Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 541

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wahlen von 1907, die der Sozialdemokratie eine fürchterliche Niederlage brachten ... Mögen denn diese Wahlen von 1907 uns allen ein Vorbild sein!“ (Stürmische Pfuirufe.)

Nun, wenn man das alles zusammennimmt und fragt, wer von der ganzen Gesellschaft der Bessere oder der Schlechtere ist, so muß man mit unserm großen Dichter Heine antworten: ... es will mich schier bedünken, daß der Rabbi und der Mönch, daß sie alle beide stinken. (Lebhaftes „Bravo!“)

Darum ist es unsere Aufgabe, mit aller uns zu Gebote stehenden Macht auch mit dieser jämmerlichen Partei gründlich Abrechnung zu halten. Wir kämpfen nicht allein um Mandate, wie gewisse liberale Herren, wie z. B. auch Herr Gyßling, die um einen Reichstagssessel zittern. Uns kommt es auf die gewaltige Stimmenzahl an, auf die Massen, die geschlossen hinter der Fraktion stehen, ihr Rückgrat bilden; freilich sehen wir nicht in dem Sinne auf die Stimmenzahl wie das Zentrum, dem es darauf ankommt, eine schöne Parade abzunehmen. Nicht die Mitläufer sind es, die aus augenblicklicher Erregung uns folgen, mit denen wir rechnen, sondern die großen Massen, die wir immer tiefer mit sozialistischem Geiste erfüllen wollen, die wir aufklären und festigen, damit sie wissen, wofür sie kämpfen. Wir brauchen überzeugte Wähler. Und da können uns die Phrasen und Drohungen der Gegner nicht ängstigen, uns, die wir elf Jahre und elf Monate unter einem schändlichen Ausnahmegesetz wie ein Wild gehetzt worden sind, wir stehen trotzdem frisch, jung und kräftig da und haben dabei rote Backen bekommen, wir, die wir den Nationalheros Bismarck zerschmetterten, haben unseren Feinden auch die Fessel des Ausnahmegesetzes zerbrochen vor die Füße geschleudert. Wir brauchen ganze Männer und ganze Frauen, und wenn diese auch noch nicht wählen können, so können sie doch wühlen. Es weht ein scharfer Wind, aber er wehte auch, als der Säkularmensch zerschmettert am Boden lag – mag er wehen, um so besser flattert die rote Fahne. Aber feste und ganze und mutige Männer vor allem brauchen wir in den kommenden Kämpfen, Männer wie unseren alten August Bebel, der seinen ganzen Grimm über die heutigen jammervollen Zustände zusammenfaßte in die Worte: Ich bin ein Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft!

Königsberger Volkszeitung,

Nr. 137 vom 15. Juni 1911.

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