Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 54

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der Bourgeoisie und des Adels und zum Schaden des arbeitenden Volkes. Es kommt noch hinzu, daß dieses für die Arbeiterklasse schädliche kaiserliche oder königliche Amt ein sehr kostspieliger Luxus ist, denn für den Unterhalt des Hofes und des zahlreichen Gesindels der höfischen Schmarotzer – seiner schlimmsten Feinde – muß das Volk in allen Ländern durch blutige Arbeit schwer erworbene Millionen opfern. Deshalb fordern die bewußten sozialdemokratischen Arbeiter in allen Ländern die Abschaffung der königlichen oder kaiserlichen Herrschaft und die Einführung der Republik. Zwar hört das arbeitende Volk auch in einer Republik nicht auf, ausgebeutet und unterdrückt zu sein. Solange es Lohnarbeit und Kapitalismus gibt, so lange herrscht die Bourgeoisie – die Klasse der Ausbeuter –, und sie ist bemüht, das Proletariat so vollständig wie möglich zu unterdrücken. In Frankreich, wo eine Republik besteht, leiden die Arbeiter ebenfalls unter dem Elend; die Bourgeoisie bedient sich sogar manchmal des Militärs gegen die streikenden Arbeiter, um deren Kampf abzuwürgen. Ähnliches geschieht auch in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Schweiz, die ebenfalls Republiken sind. Aber die Arbeiter in diesen Ländern besitzen dank der Republik die unbeschränkte Möglichkeit zum politischen Kampf gegen die Herrschaft der Bourgeoisie, können laut und offen deren Handlungsweise brandmarken, können sich ungehindert organisieren und bilden. Da in einer Republik sowohl der Präsident als auch die Minister, das heißt die ganze Regierung, von den Volkswahlen abhängig sind, besitzen die bewußten Arbeiter hier die größte Möglichkeit, auf die bestehende Ordnung im Staate Einfluß auszuüben.

Die Forderung nach der Republik ist eine gemeinsame Forderung des arbeitenden Volkes Polens und Rußlands. Das arbeitende Volk Polens allein kann nicht die kleinste Freiheit erlangen, wenn es im ganzen Staat keine Freiheit gibt. Die republikanische Ordnung kann in unserem Lande weder entstehen noch erhalten bleiben, wenn sie nicht in ganz Rußland zur Macht gelangt. Deshalb erfordert das gemeinsame Wohl der Millionen des arbeitenden Volkes sowohl in Polen als auch in Rußland, daß die republikanische Regierungsform im ganzen Staat eingeführt wird;

2. die Gleichberechtigung aller Nationalitäten, die das russische Reich bewohnen; Zusicherung der Freiheit ihrer kulturellen Entwicklung: Nationalschule und Freiheit im Gebrauch der Muttersprache; Landesselbstverwaltung, das heißt Autonomie für Polen

Eines der ältesten Mittel der Herrschaft des Despotismus im russischen Reich bestand darin, systematisch Haß zu säen und Kämpfe zwischen den

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