Erst vor zwei Jahren, auf dem Parteitag in Leipzig[1], hat sich die oberste Instanz der Partei mit der Frage der Teilnahme sozialdemokratischer Vertreter an monarchischen Kundgebungen befaßt. Den Anlaß dazu hatten gerade einige württembergische Landtagsabgeordnete, darunter Dr. Lindemann, mit ihrem Ausflug nach Friedrichshafen und dem Besuch beim König gegeben. Das allgemeine Aufsehen und die Erregung, die diese „Hofgängeraffäre“ allenthalben in der Partei hervorgerufen hatte, fanden Ausdruck in einer Reihe von Anträgen, die eine scharfe Verurteilung der monarchischen Kundgebung vom Parteitag verlangten. Schließlich einigte man sich bekanntlich auf den Antrag 49 aus Stuttgart I, der die Teilnahme sozialdemokratischer Abgeordneter an höfischen Zeremonien als einen „Verstoß gegen die Grundsätze der Partei“ bezeichnete und erklärte, daß „die Mitwirkung an Veranstaltungen dieses Charakters ... den Rahmen des Auftrags“ überschreitet, „der Parteigenossen durch die Übertragung eines Vertrauensamtes erteilt wird. Für künftige Fälle gleicher Art hat die Respektierung dieser Parteiansicht als Grundlage einer Ausübung von Vertrauensämtern zu gelten.“[2] [Hervorhebung – R. L.] Als die Annahme dieses Antrages durch den Parteitag unmittelbar bevorstand und nicht bezweifelt werden konnte, gaben die Stuttgarter „Hofgänger“ eine Erklärung ab, worin sie versicherten, die Teilnahme an einer monarchischen Demonstration gar nicht beabsichtigt zu haben.
„Hätten wir jedoch annehmen können“, fuhren sie dann fort, „daß dieser Ausflug in seinem weiteren Verlauf zu einer monarchischen Huldigung benützt werden würde, so wären wir, der Parteitradition entsprechend, die auch für uns maßgebend ist, der Veranstaltung ferngeblieben.“[3] [Hervorhebung – R. L.]
Da diese Erklärung eine unumwundene Unterwerfung unter die im Antrag Stuttgart I ausgesprochene Auffassung der Partei war, so nahm der Parteitag keinen Anstand, sich damit zufriedenzugeben, und der Antrag 49 wurde zurückgezogen. Doch sollte die Sachlage noch unzweideutiger charakterisiert werden. Paul Singer, der in Leipzig zum letztenmal den Vorsitz auf einem deutschen Parteitag führte, benutzte die Gelegenheit, um den republikanischen Standpunkt der Sozialdemokratie als den für alle Parteiämter maßgebenden mit seiner gewohnten ruhigen Festigkeit zu unterstreichen. Singer sagte: