lassen, diesen Zusammenschluß Europas zu den Vereinigten Staaten von Europa vorbereiten.“[1]
Und in der „Neuen Zeit“ vom 28. April schreibt Genosse Kautsky:
„Und die Verwirklichung solcher Verständigungen böte noch keine Garantie für eine ständige Fortdauer des Friedens, die das Gespenst des Krieges für immer bannte.
Dafür gibt es heute nur einen Weg: die Vereinigung der Staaten der europäischen Zivilisation in einem Bunde mit gemeinsamer Handelspolitik, einem Bundesparlament, einer Bundesregierung und einem Bundesheer – die Herstellung der Vereinigten Staaten von Europa.
Gelänge dies, so wäre Ungeheures erreicht. Diese Vereinigten Staaten besäßen eine solche Übermacht, daß sie ohne jeglichen Krieg alle andern Nationen, soweit sie sich ihnen nicht freiwillig anschlössen, dazu zwingen könnten, ihre Armeen aufzulösen, ihre Flotten aufzugeben. Damit hörte aber auch für die neuen Vereinigten Staaten selbst jede Notwendigkeit einer Bewaffnung auf. Sie könnten nun nicht bloß auf alle weiteren Rüstungen, auf das stehende Heer, auf die Angriffswaffen zur See verzichten, deren Aufgeben wir heute schon fordern, sondern auch auf jegliches Mittel der Verteidigung, auf das Milizsystem selbst.
Damit wäre die Ära des ewigen Friedens sicher begründet.“[2]
Zunächst muß festgestellt werden, daß diese Idee jedenfalls in der Parteiagitation ganz neu ist. Weder enthält unser Minimalprogramm auch nur eine Erwähnung einer solchen Konstruktion, noch haben sich je unsre Parteitage oder internationale Kongresse damit befaßt, noch ist sie auch nur in der Parteiliteratur je ernstlich diskutiert worden. Und es hat gewiß sein Mißliches, wenn solche ad hoc, gewissermaßen aus dem Hand-
[1] „Wir suchen innerhalb des Kapitalismus diejenigen Bestrebungen zu unterstützen, die auf eine Beseitigung der Raubtiereinflüsse hinzielen. Wir wollen eben jetzt schon alle die wirtschaftlichen Forderungen, die der Kapitalismus selber in der Richtung auf den Frieden herausarbeitet, stärken und darauf hinwirken, daß ein solcher Zusammenschluß der Staaten zu gemeinsamer wirtschaftlicher Kulturentwicklung heute schon in der Zeit des Kapitalismus stattfinden kann und daß damit die Scheingründe für die unaufhörliche Kriegsrüstung beseitigt werden können. Wir erheben die Forderung, daß die europäischen Staaten sich wirtschaftlich und politisch zusammenschließen müssen. Ich bin fest überzeugt: wenn auch sicher in der Zeit des Sozialismus, so kann es doch auch schon früher dazu kommen, daß wir die Vereinigten Staaten von Europa erleben, wie wir heutigentags den Vereinigten Staaten von Amerika im Wettbewerb gegenüberstehen. Wir stellen wenigstens an die kapitalistische Gesellschaft, an die kapitalistischen Staatsmänner die Forderung, daß sie im Interesse der kapitalistischen Entwicklung in Europa selbst, um Europa später in der Weltkonkurrenz nicht vollkommen unter den Schlitten kommen zu lassen, diesen Zusammenschluß Europas zu den Vereinigten Staaten von Europa vorbereiten.“ (Verhandlungen des Reichstags. XII. Legislaturperiode, II. Session, Bd. 266. Stenographische Berichte, Berlin 1911, S. 6142 f.)
[2] K. Kautsky: Krieg und Frieden. Betrachtungen zur Maifeier. In: Die Neue Zeit (Stuttgart), 29. Jg. 1910/11, Zweiter Band, S. 105 f.