Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 455

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ist, es wären also mit oder ohne Zustimmung unserer Genossen dem Klassenstaat in Baden die Mittel bewilligt worden. Die Art der Verteidigung der Budgetbewilliger ist deshalb bezeichnend, weil wir hier das Beispiel sehen, wie die Vertrauenskundgebungen der badischen Arbeiter für die Fraktionsmehrheit zustande gekommen sind. Überall, wo unsere Genossen vor die Arbeiter in Baden traten, um sich wegen ihrer Zustimmung zum Budget zu verantworten, gaben sie eine Schilderung ihrer gesamten Tätigkeit im Landtage. Nirgends ist die Frage der Budgetbewilligung getrennt von der Beurteilung der Gesamttätigkeit im Landtage gestellt worden, und die badischen Arbeiter, denen ihre Abgeordneten eine – was niemand von uns bestreiten wird – eingehende, fleißige, nützliche Arbeit während der ganzen Session vorlegen, die Arbeiter, von denen man eine Vertrauenskundgebung verlangt, sind nicht in der Lage, diese zu versagen, weil man ihnen zugleich ein Urteil über die Gesamttätigkeit abverlangt. Wären die Fragen in den badischen Versammlungen getrennt gestellt worden, wären die Arbeiter in die Lage gekommen, über die reine Frage der Ablehnung oder Bewilligung des Budgets zu urteilen, dann wäre in manchen Fällen die Antwort ganz anders ausgefallen. („Sehr richtig!“) Ja, wenn man die badischen Proletarier sieht und wenn man an sie appelliert, genau mit denselben Argumenten, mit denen wir gewohnt sind, seit jeher in der deutschen Sozialdemokratie an die Klasseninteressen der Proletarier zu appellieren, so findet man dort genau dasselbe Echo wie bei den Arbeitern in allen anderen Teilen Deutschlands.

Vorsitzender Dietz macht die Rednerin darauf aufmerksam, daß sie ihre Redezeit bereits überschritten hat.

Ich habe zwanzig Minuten, denn ich muß doch den Antrag meines Wahlkreises begründen. (Zurufe: „Nein, nein!“) Warum nein? Genauso wie jeder andere Antrag ist auch das ein selbständiger Antrag, zu dessen Begründung eine Redezeit von zwanzig Minuten gewährt werden muß.

Vorsitzender Dietz erklärt, nachdem er mit der Rednerin privatim gesprochen hat: Wenn Genossin Luxemburg sich der Geschäftsordnung nicht fügen will, dann muß ich allerdings den Parteitag anrufen und fragen, ob er geneigt ist, hier die Redezeit zu verlängern. Es liegt kein selbständiger Antrag vor. Genossin Luxemburg hat, wie jeder Diskussionsredner, eine Redezeit von zehn Minuten, ich bin weiter gegangen und habe ihr bereits fünfzehn Minuten gewährt.

Rosa Luxemburg (fortfahrend): Die Sache ist erledigt, ich füge mich. Wenn irgendein Umstand bewiesen hat, wie notwendig es ist, der Politik der badischen Landtagsfraktion mit aller Entschiedenheit entgegenzu-

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