Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 394

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tegie“, die sich Genosse Kautsky jetzt zurechtgelegt hat, läßt sich nicht bloß keine große politische Massenaktion führen, sondern nicht einmal eine gewöhnliche Gewerkschaftsbewegung.

Aber das obige Schema für die „westeuropäischen“ Streiks hat noch eine andere klaffende Lücke, und zwar gerade in dem Punkte, auf dem der wirtschaftliche Kampf für die Frage der Massenstreiks, also für unser eigentliches Thema, in Betracht kommt. Dieses Schema schließt nämlich ganz die Tatsache aus, daß gerade „in Westeuropa“ je länger, je mehr gewaltige Streiks ohne viel „Plan“ wie ein Elementargewitter auf solchen Gebieten ausbrechen, wo eine große ausgebeutete Masse von Proletariern der konzentrierten Übermacht des Kapitals oder des kapitalistischen Staates gegenübersteht, Streiks, die nicht „immer seltener“, sondern immer häufiger werden, die meist ganz ohne „bestimmte Erfolge“ verlaufen, trotzdem aber oder vielmehr gerade deshalb von größter Bedeutung sind als Explosionen eines tiefen inneren Gegensatzes, der direkt auf das politische Gebiet hinüberspielt. Hierher gehören die periodischen Riesenstreiks der Bergarbeiter in Deutschland, in England, in Frankreich, in Amerika, hierher gehören die spontanen Massenstreiks der Landarbeiter, wie sie in Italien, in Galizien stattgefunden haben, ferner die Massenstreiks der Eisenbahnarbeiter, die bald in diesem, bald in jenem Staate ausbrechen. Wie hieß es doch in dem trefflichen Artikel des Genossen Kautsky über „Die Lehren des Bergarbeiterstreiks“ im Ruhrrevier im Jahre 1905:

„Nur auf diesem Wege lassen sich noch erhebliche Fortschritte für die Bergarbeiterschaft erzielen. Der Streik gegen die Grubenbesitzer ist aussichtslos geworden; der Streik muß von vornherein als politischer auftreten, seine Forderungen, seine Taktik müssen darauf berechnet sein, die Gesetzgebung in Bewegung zu setzen … Diese neue gewerkschaftliche Taktik“, fährt Genosse Kautsky fort, „die des politischen Streiks, der Verbindung von gewerkschaftlicher und politischer Aktion, ist die einzige, die den Bergarbeitern noch möglich bleibt, sie ist überhaupt diejenige, die bestimmt ist, die gewerkschaftliche wie die parlamentarische Aktion neu zu beleben und der einen wie der anderen erhöhte Aggressivkraft zu geben.“

Es könnte scheinen, daß hier unter „politischer Aktion“ vielleicht nur

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