Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 376

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die spanischen Bundesgenossen Roms zum zweitenmal aufgeopfert wurden, konnte man ebenso sicher vorhersehen, als die Zögerung selbst sich leicht vermeiden ließ.“ „So weise es war, sich römischerseits verteidigend zu verhalten und den Haupterfolg von dem Abschneiden der Subsistenzmittel des Feindes zu erwarten, so war es doch ein seltsames Verteidigungs- und Aushungerungssystem, bei welchem der Feind unter den Augen einer an Zahl gleichen römischen Armee ganz Mittelasien ungehindert verwüstet und durch eine geordnete Fouragierung im größten Maßstab sich für den Winter hinreichend verproviantiert hatte.“ „Endlich, was das römische Heer anlangte, so konnte man nicht sagen, daß es den Feldherrn zu dieser Kriegführung nötigte; es bestand wohl zum Tell aus einberufener Landwehr, aber doch seinem Kerne nach aus den dienstgewohnten Legionen von Arminum, und weit entfernt, durch die letzten Niederlagen entmutigt zu sein, war es erbittert über die wenig ehrenvolle Aufgabe, die sein Feldherr, ‚Hannibals Lakai‘, ihm zuwies, und verlangte mit lauter Stimme, gegen den Feind geführt zu werden. Es kam zu den heftigsten Auftritten in den Bürgerversammlungen gegen den eigensinnigen alten Mann.“ In diesem Sinne geht es bei Mommsen eine ganze Strecke weiter. „Nicht der ‚Zauderer‘ hat Rom gerettet“, sagt er mit dürren Worten, „sondern die feste Fügung seiner Eidgenossenschaft und vielleicht nicht minder der Nationalhaß, mit dem der phönizische Mann von den Okzidentalen empfangen ward.“ Dies war so offenkundig, daß schließlich sogar „die Majorität des Senats trotz der Quasilegitimation, welche die letzten Ereignisse dem Zaudersystem des Fabius gegeben hatten, doch fest entschlossen war, von dieser den Staat zwar langsam, aber sicher zugrunde richtenden Kriegführung abzugehen.“[1]

So sieht es mit der siegreichen „Ermattungsstrategie“ des Fabius Cunctator aus. Tatsächlich ist sie eine Legende, die auf unseren Schulen den Gymnasiasten gepredigt wird, um sie im konservativen Geiste zu drillen und vor „Überstürzung“ und „Umstürzlern“ zu warnen, ihnen als Geist der Weltgeschichte das Motto einzubläuen, nach dem der Landsturm marschiert: „Immer langsam voran.“ Daß diese Legende nun für das revolutionäre Proletariat gelten soll, heute, in dieser Situation – das ist eine von den unerwarteten Fügungen des Schicksals.

Wie dem auch sei, ist jedenfalls das Element des edlen Quintus Fabius, der nächst Opfern und Gebeten von der methodischen Kriegführung das Heil des Staates erwartete, in unserem obersten Senat der Partei und der Gewerkschaften, wie mich dünkt, hinlänglich vertreten. An einem Mangel

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[1] Theodor Mommsen: Römische Geschichte, 3. Aufl., 1. Bd., 1856, S. 551–577. [Fußnote im Original]