Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 373

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Massen klarzumachen, daß sie nicht auf bürgerliche Bundesgenossen und nicht auf die parlamentarische Aktion, sondern bloß auf sich selbst, auf die eigene entschlossene Klassenaktion angewiesen sind. Die Losung des Massenstreiks ergibt sich dabei nicht als ein ausgeklügeltes, patentiertes Mittel zur Erfechtung von Siegen, das angepriesen wird, sondern als die Formulierung, die Zusammenfassung der politischen und historischen Lehren der heutigen Verhältnisse in Deutschland.

Eine so geartete Agitation für den Massenstreik gibt die Möglichkeit, die ganze politische Situation, die Gruppierung der Klassen und Parteien in Deutschland in schärfster Weise zu beleuchten, die politische Reife der Massen zu steigern, ihr Kraftgefühl, ihre Kampffreude zu wecken, an den Idealismus der Massen zu appellieren, neue Horizonte dem Proletariat zu zeigen. Dadurch wird die Erörterung des Massenstreiks zum hervorragenden Mittel, indifferente Schichten des Proletariats aufzurütteln, proletarische Anhänger der bürgerlichen Parteien, namentlich des Zentrums, zu uns herüberzuziehen, die Massen für alle Eventualitäten der Situation bereitzumachen und endlich in wirksamster Weise auch für die Reichstagswahlen vorzuarbeiten.

Wenn nun Genosse Kautsky gegen diese Agitation den Feldzug eröffnet, die Erörterung des Massenstreiks für gefährlich erklärt und die ganze Wahlrechtsbewegung auf die kommenden Reichstagswahlen als den einzigen Zielpunkt zu richten sucht, so heißt das einfach, die bereits auf neuen Bahnen erfreulich vorgeschrittene Parteibewegung wieder in die alten ausgetretenen Geleise des reinen Parlamentarismus zurückschrauben.

Aber Genosse Kautsky trägt wieder Eulen nach Athen, wenn er uns in Deutschland parlamentarischen Optimismus und parlamentarische Aktion predigt. Wir haben ohnehin schon seit Jahrzehnten unser Parteileben auf die Reichstagswahlen als die Hauptaktion eingerichtet, und unsere Taktik wird ohnehin mehr als genug von Rücksichten auf die Parlamentswahlen beeinflußt. Mit dem Hinweis auf bevorstehende Reichstagswahlen werden periodische Auseinandersetzungen über die Taktik gerügt. Aus Rücksicht auf die Reichstagswahlen ward im Jahre 1907 die völlig verkehrte Politik vom „Vorwärts“ befolgt, alle Kanonen gegen den Liberalismus zu richten und das Zentrum, weil es sich parlamentarisch in der Opposition befand, aus dem Spiele zu lassen. Nur weil unsere Provinzpresse, namentlich im westlichen Bezirk, diesem Beispiel nicht gefolgt war und das Zentrum rücksichtslos bekämpft hat, ist es gelungen, unsere Position zu behaupten. Auf die Reichstagswahlen ist ja ohnehin das Hauptaugenmerk unserer Parteileitung gerichtet, und während zum Beispiel bei jeder Reichstags‑

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