Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 257

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Wegen suchte, wie wir das im Interesse der beiden Zweige der Arbeiterbewegung unumgänglich notwendige innige Zusammenarbeiten erzielen könnten, gehörte ich zu denjenigen Genossen, die sich am wenigsten eine ersprießliche Zusammenwirkung auf dem Wege versprachen, daß die obersten organisatorischen Spitzen beider Zweige der Arbeiterbewegung in dualistischer Weise miteinander verkehren und Vereinbarungen treffen, die dann für beide Teile der Arbeiterbewegung maßgebend sein sollten. Ich glaube, daß nach den ersten beiden wichtigen Proben des Zusammenwirkens nach diesem dualistischen System, die wir jetzt erlebt haben, unsere Befürchtungen von damals vollauf bestätigt werden.

Diese zwei entmutigenden Proben sind die Maifeier und die Jugendorganisation. Die Frage der Maifeier ist auf sämtlichen deutschen Parteitagen verhandelt worden und mit Recht. Es entspricht das vollkommen der kolossalen Tragweite dieser Äußerung unserer Arbeiterbewegung. Aber erst seit kurzem ist eine ganz neue Seite in die Betrachtungen hineingeworfen worden, die von sehr verhängnisvoller Wirkung für die Sache der Maifeier sein kann. Das ist die Frage der Unterstützung. Als wir in Stuttgart[1] in der deutschen Delegation die Bestimmung getroffen hatten, daß die Partei gleichfalls bereit ist, an der Unterstützung der Opfer der Maifeier sich zu beteiligen, sollte damit nur ausgesprochen werden nach dem ganzen Sinn und Geist der Verhandlungen, daß auch die Partei ihrerseits alles tun will, was in ihrer Macht steht, um die Maifeier so würdig wie möglich auszubauen. In der Praxis hat sich die Unterstützungsfrage schon sehr bald als eine Schlinge erwiesen, in der die Maifeier erdrosselt werden kann, wenn wir nicht rechtzeitig der falschen Richtung in der Lösung dieser Frage vorbeugen. Genosse Fischer hat gesagt, er kann es nicht begreifen, wo die Logik liegt, wenn man den Gedanken vertritt, durch die Lösung der Unterstützungsfrage werde die Wirkung und Verbreitung der Maifeier vermindert.

Umgekehrt sagt er: Dadurch, daß wir Maßregeln treffen, um die tapfersten und kampfesmutigsten Opfer der Maifeier zu unterstützen und nicht auf dem Pflaster liegen zu lassen, wirken wir dafür, daß die Maifeier würdig gefeiert wird. Ich sehe keine Logik auf der Seite Fischers. Parteivorstand und Generalkommission haben vollständig recht, wenn sie erklären: Wir haben vielleicht eine falsche Lösung der Unterstützungsfrage gefunden, nun bitte, gebt uns eine bessere, dann werden wir sie ergreifen, wir haben bis jetzt keine bessere gefunden. Ich behaupte, eine vollkommene Lösung der Unterstützungsfrage in dem Sinne, daß einer-

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[1] Der Internationale Sozialistenkongreß in Stuttgart fand vom 18. bis 24. August 1907 statt.