offiziellen bürgerlichen Politik, der von „Staatsinteressen“ und „Volksinteressen“ als einem homogenen Ganzen spricht, den Humbug der „Interessenharmonie“ aller Klassen auf dem Gebiet der auswärtigen Politik zu unterstützen.
Mir scheint ferner, daß wir – dank der wissenschaftlichen Basis unserer sozialistischen Weltanschauung – uns darüber klar sind, daß sowohl Krieg als Frieden in der modernen kapitalistischen Welt aus viel tieferen sozialen Ursachen entspringen denn aus dem Willen und dem winzigen Intrigenspiel der „leitenden“ Staatsmänner, daß es, solange der Kapitalismus fortbesteht, zwischen den einzelnen Staaten tatsächlich unüberbrückbare Gegensätze gibt, die sich mit dem Fortschreiten der Welt- und Kolonialpolitik notwendig verschärfen und die kein Pflästerchen der „Allianzen“ beseitigen kann, ebenso daß alle „Allianzen“ und „Ententen“ der Militärstaaten selbst nur versteckte Mittel zu fortschreitenden Kriegsrüstungen und gegebenenfalls zur Verbreitung der Kriegsgefahr über ihren unmittelbaren Bereich hinaus darstellen. Mir scheint deshalb, daß es viel weniger Aufgabe der Sozialisten sein kann, die Illusionen der bürgerlichen Friedensapostel und ihre Hoffnungen auf Erhaltung des Friedens durch allerlei Kabinettstücke der Staatsdiplomatie zu nähren, als das lächerliche und klägliche Puppenspiel dieser Diplomatie in seiner Ohnmacht, Borniertheit und Verlogenheit auf Schritt und Tritt zu entlarven.
Doch das sind alles Sachen der Auffassung, und ich wage mir nicht zu schmeicheln, darüber mit Ihnen disputieren zu können.
Allein es gibt einen Punkt – und zwar ist es der Zentralpunkt Ihrer Darlegungen –, gegen den man, wie ich glaube, den schärfsten Protest einlegen muß.
Sie befürworten und verteidigen die jüngste Frucht der kapitalistischen diplomatischen Drahtzieherei: die anglo-russische Entente cordiale. Sie preisen die Zusammenkunft König Eduards mit dem russischen Zaren in Reval und ihre segenbringenden Ergebnisse für – Asien. Es sei gestattet, Sie daran zu erinnern, daß es noch ein Land in Europa gibt, für dessen Schicksale die englisch-russische Verbrüderung nicht ohne Folgen bleibt, und das ist – Rußland.
Die Schicksale der russischen Revolution sind von Anfang an eng an die Geschehnisse der auswärtigen Politik gebunden. Es war ein unglücklicher Krieg[1], ein Zusammenbruch der auswärtigen Macht Rußlands, der das Präludium der Revolution im Innern Rußlands bildete. Nach den Niederlagen des Absolutismus bei Tsuschima und Mukden wie nach sei‑
[1] Von Januar 1904 bis September 1905 hatte Japan einen imperialistischen Krieg gegen Rußland um die Vorherrschaft im Fernen Osten geführt. Die schwere Niederlage der russischen Truppen im Jahre 1905 schwächte den Zarismus und verschärfte die revolutionäre Krise in Rußland.