Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 198

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hang kein Verständnis vorhanden zu sein. In dem Wahlaufruf unserer Fraktion vom 14. Dezember war kein Hinweis auf die russische Revolution enthalten. Wenn unserer Gegner Furcht und Haß gegen die Arbeiter durch die russische Revolution aufgestachelt ist, so müssen wir aus der Revolution Kraft und Zuversicht schöpfen. Ich will nicht die Revolution anpreisen, sondern nur sagen, daß wir uns klarwerden über die historisch notwendigen Bedingungen, unter denen wir unser Endziel erreichen können. Wenn wir die Dinge so betrachten, dann haben wir keinen Grund, wegen des Wahlergebnisses pessimistisch zu sein. Mit Feuereifer stürmt die bürgerliche Gesellschaft der Katastrophe entgegen. Wir, die wir bei der Wahl eine parlamentarische Niederlage erlitten haben, sind die lachenden Erben des Prozesses, der unsere Niederlage verursacht hat. Es wäre töricht, wenn man unsere parlamentarische Niederlage auch als eine politische Niederlage ansehen wollte. Durch diese Wahl sind wir unserem Endziel um eine tüchtige Strecke näher gebracht.

Nichts würde jetzt gefährlicher sein als eine Unterschätzung unserer Kraft. Wenn jetzt die Kleinarbeit als unsere Parole aufgestellt wird, so ist das nach solchem Wahlkampfe zu wenig. Gewiß soll die Kleinarbeit soviel wie möglich betrieben werden, aber vor allem kommt es darauf an, daß die Millionen des Proletariats mit den Erfahrungen und Lehren dieses Wahlkampfes vertraut gemacht werden und daß sie erfüllt werden mit Vertrauen in die eigene Kraft. Der Ausfall der Wahl hat uns gelehrt, daß wir viel schneller unserem Siege entgegengehen, als wir vor dem 25. Januar angenommen haben.

Vorwärts (Berlin),

Nr. 58 vom 9. März 1907.

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