Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 238

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daß die deutsche Partei eine revolutionäre Partei ist, die aus der Geschichte gelernt hat. In dieser Resolution erklärte sie den Generalstreik, den sie jahrelang als anarchistisch verworfen hatte, als ein Mittel, das unter Umständen angewendet werden kann. Es war aber nicht der Geist Domela Nieuwenhuis[1], sondern das rote Gespenst der russischen Revolution, das über den Verhandlungen in Jena schwebte. Allerdings haben wir damals nicht den Massenstreik gegen den Krieg, sondern den für das Wahlrecht im Auge gehabt. Wir können jedoch gewiß nicht schwören, daß wir einen Massenstreik machen werden, wenn man uns das Wahlrecht nimmt. Aber ebensowenig können wir schwören, daß wir ihn nur für das Wahlrecht machen werden. Nach der Rede Vollmars und zum Teil Bebels halten wir es für notwendig, die Bebelsche Resolution zu verschärfen, und wir haben ein Amendement ausgearbeitet[2], das wir noch vorlegen werden. Ich muß noch hinzufügen, daß wir in unserem Amendement zum Teil noch weiter gehen als die Genossen Jaurès und Vaillant, indem wir die Agitation im Kriegsfalle nicht bloß auf die Beendigung des Krieges gerichtet wissen wollen, sondern auch auf die Ausnutzung des Krieges zur Beschleunigung des Sturzes der Klassenherrschaft überhaupt. (Beifall.)

Internationaler Sozialisten-Kongreß zu Stuttgart.
18. bis 24. August 1907, Berlin 1907.

  1. : S. 102,

  2. : S. 97/98.

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[1] Unter Führung des holländischen Sozialdemokraten Domela Nieuwenhuis trat in der internationalen Arbeiterbewegung eine halbanarchistische Gruppe mit der Forderung auf, das Proletariat solle auf jede Kriegserklärung mit einem Generalstreik antworten und den Wehrdienst verweigern. Auf dem Internationalen Arbeiterkongreß in Brüssel im August 1891 waren diese Auffassungen von der überwältigenden Mehrheit der Delegierten abgelehnt worden.

[2] Rosa Luxemburg: Änderungsanträge zum Resolutionsentwurf August Bebels über die imperialistische Politik. In: GW, Bd. 2, S. 235 f.