Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 2, 6., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2004, S. 131

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streik nicht aus freien Stücken hervorgerufen werden kann, auch wenn der Entschluß dazu von der höchsten Instanz der stärksten sozialdemokratischen Partei ausgehen mag. Solange die Sozialdemokratie es nicht in ihrer Hand hat, nach eigenem Ermessen Revolutionen zu inszenieren und abzusagen, genügt auch nicht die größte Begeisterung und Ungeduld der sozialdemokratischen Truppen dazu, eine wirkliche Periode der Massenstreik[1] als eine lebendige, mächtige Volksbewegung ins Leben zu rufen. Auf Grund der Entschlossenheit einer Parteileitung und der Parteidisziplin der sozialdemokratischen Arbeiterschaft kann man wohl eine einmalige kurze Demonstration veranstalten, wie der schwedische Massenstreiks oder die jüngsten österreichischen[2] oder auch der Hamburger Massenstreik vom 17. Januar. Diese Demonstrationen unterscheiden sich aber von einer wirklichen Periode revolutionärer Massenstreiks genauso, wie sich die bekannten Flottendemonstrationen in fremden Häfen[3] bei gespannten diplomatischen Beziehungen von einem Seekrieg unterscheiden. Ein aus lauter Disziplin und Begeisterung geborener Massenstreik wird im besten Falle als eine Episode, als ein Symptom der Kampfstimmung der Arbeiterschaft eine Rolle spielen, worauf die Verhältnisse aber in den ruhigen Alltag zurückfallen. Freilich fallen auch während der Revolution die Massenstreiks nicht ganz vom Himmel. Sie müssen so oder anders von den Arbeitern gemacht werden. Der Entschluß und Beschluß der Arbeiterschaft spielt auch dabei eine Rolle, und zwar kommt die Initiative sowie die weitere Leitung natürlich dem organisierten und aufgeklärtesten sozialdemokratischen Kern des Proletariats zu. Allein diese Initiative und diese Leitung haben einen Spielraum meistens nur in Anwendung auf die einzelnen Akte, einzelnen Streiks, wenn die revolutionäre Periode bereits vorhanden ist, und zwar meistens in den Grenzen einer einzelnen Stadt. So hat z. B., wie wir gesehen, die Sozialdemokratie mehrmals direkt die Losung zum Massenstreik in Baku, in Warschau, in Łódź, in Petersburg mit Erfolg gegeben. Dasselbe gelingt schon viel weni‑

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[1] In Schweden war auf Beschluß der Sozialdemokratie vom 15. bis 17. Mai 1902 ein politischer Massenstreik durchgeführt worden, um der Forderung nach einer Wahlrechtsreform Nachdruck zu verleihen. Der Streik, an dem sich etwa 116 000 Arbeiter beteiligten, wurde ohne Ergebnis abgebrochen, nachdem beide Kammern des Reichstags in einer Resolution die Regierung aufgefordert hatten, bis 1904 eine neue Wahlrechtsvorlage einzubringen.

[2] Von Oktober bis Dezember 1905 fanden in Österreich-Ungarn auf Beschluß der Sozialdemokratischen Partei Österreichs Massenstreiks und Massendemonstrationen für das allgemeine Wahlrecht statt.

[3] Im Sommer 1898, während des spanisch-amerikanischen Krieges, erschien ein deutsches Flottengeschwader vor Manila, um den Anspruch der deutschen Flotten- und Kolonialkreise auf einen möglichst großen Teil des spanischen Kolonialbesitzes im Pazifik und im Fernen Osten geltend zu machen. – Am 31. März 1905 landete Wilhelm II. in der marokkanischen Hafenstadt Tanger, um zugunsten Deutschlands die französische Vorherrschaft über Marokko zu verhindern.