Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 773

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lands, Englands usw.; es war dies aber meist die Geschichte jeder Stadt für sich.

Die kapitalistische Produktion dehnt sich auf sämtliche Länder aus, indem sie sie alle nicht bloß gleichartig wirtschaftlich gestaltet, sondern sie zu einer einzigen großen kapitalistischen Weltwirtschaft verbindet.

Im Innern jedes europäischen industriellen Landes verdrängt die kapitalistische Produktion unaufhörlich die kleingewerbliche, handwerksmäßige und die kleine bäuerliche. Gleichzeitig zieht sie alle rückständigen europäischen Länder und alle Länder in Amerika, Asien, Afrika, Australien in die Weltwirtschaft herein. Das geht auf zwei Wegen vor sich: durch den Welthandel und durch die Kolonialeroberungen. Beide begannen Hand in Hand schon seit der Entdeckung Amerikas am Ausgang des 15. Jahrhunderts, dehnten sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte weiter aus, nahmen aber besonders im 19. Jahrhundert den größten Aufschwung und dehnen sich immer weiter aus. Beide – Welthandel wie Kolonialeroberungen – wirken Hand in Hand in folgender Weise. Zuerst bringen sie die kapitalistischen Industrieländer Europas in Berührung mit allerlei Gesellschaftsformen anderer Weltteile, die auf älteren Kultur- und Wirtschaftsstufen stehen: bäuerlichen, Sklavenwirtschaften, feudalen Fronwirtschaften, vorwiegend aber mit urkommunistischen. Durch den Handel, in den diese Wirtschaften hineingezogen werden, werden sie rasch zersetzt und zerrüttet. Durch die Gründung der kolonialen Handelsgesellschaften auf fremdem Boden oder durch direkte Eroberung kommen der Grund und Boden, die wichtigste Grundlage der Produktion, sowie auch die Viehherden, wo solche vorhanden sind, in die Hände europäischer Staaten oder der Handelsgesellschaf ten. Dadurch werden die naturwüchsigen Gesellschaftsverhältnisse und die Wirtschaftsweise der Eingeborenen überall vernichtet, ganze Völker werden zum Teil ausgerottet, zum übrigen Teil aber proletarisiert und in dieser oder jener Form als Sklaven oder Lohnarbeiter unter das Kommando des Industrie- und Handelskapitals gestellt. Die Geschichte der jahrzehntelangen Kolonialkriege, die sich durch das ganze 19. Jahrhundert zieht: Aufstände gegen Frankreich, Italien, England und Deutschland in Afrika, gegen Frankreich, England, Holland und die Vereinigten Staaten in Asien, gegen Spanien und Frankreich in Amerika – das ist der lange und zähe Widerstand der alten eingeborenen Gesellschaften gegen ihre Ausrottung und Proletarisierung durch das moderne Kapital, ein Kampf, in dem das Kapital schließlich überall als Sieger hervorgeht.

In erster Linie bedeutet dies eine ungeheure Ausdehnung des Herr-

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