Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 530

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gutem Erfolg ohne solche Grundsätze in altväterischer Weise besorgten? Sollten nicht auch hier die Dinge auf den Kopf gestellt werden und die neumodischen Bedürfnisse der „fürstlichen Schatzkammern“ vielleicht selbst nur eine bescheidene Folge jenes großen geschichtlichen Umschwungs gewesen sein, aus dem die neue Wissenschaft der Nationalökonomie um die Mitte des 19. Jahrhunderts entsprossen ist?

Kurzum: Nachdem wir erst von den Zunftgelehrten nicht erfahren haben, was die Nationalökonomie eigentlich behandelt, wissen wir erst recht nicht, wann und weshalb sie entstanden ist.

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Eins steht jedenfalls fest: In all den Definitionen der bürgerlichen Gelehrten, die wir oben angeführt haben, ist stets die Rede von der „Volkswirtschaft“. Nationalökonomie ist auch nur ein Fremdwort für Volkswirtschaftslehre. Der Begriff der Volkswirtschaft steht im Mittelpunkt der Ausführungen bei allen offiziellen Vertretern dieser Wissenschaft. Was ist nun eigentlich die Volkswirtschaft? Professor Bücher, dessen Werk über „Die Entstehung der Volkswirtschaft“ sich in Deutschland wie im Auslande einer großen Berühmtheit erfreut, gibt darüber die folgende Auskunft:

„Die Gesamtheit der Veranstaltungen, Einrichtungen und Vorgänge, welche die Bedürfnisbefriedigung eines ganzen Volkes hervorruft, bildet die Volkswirtschaft. Die Volkswirtschaft zerfällt wieder in zahlreiche Einzelwirtschaften, welche durch den Verkehr miteinander verbunden und dadurch voneinander mannigfach abhängig sind, daß jede für alle anderen gewisse Aufgaben übernimmt und von anderen für sich solche Aufgaben übernehmen läßt.“[1]

Versuchen wir, auch diese gelehrte ,,Definition“ in der Sprache gewöhnlicher Sterblicher zu verdeutschen.

Wenn wir zunächst von der „Gesamtheit der Einrichtungen und Vorgänge“ hören, welche die Bedürfnisse eines ganzen Volkes zu befriedigen bestimmt sind, so müssen wir an alles mögliche denken: an Fabriken und Werkstätten, an Ackerbau und Viehzucht, an Eisenbahnen und Warenhäuser, nicht minder aber an Kirchenpredigten und Polizeiwachen, an Ballettdarbietungen, Standesämter und Sternwarten, an Parlamentswahlen, Landesväter und Kriegervereine, an Schachklubs, Hundeausstellungen

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[1] Karl Bücher: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Vorträge und Versuche, Tübingen 1906, S. 85.