Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 275

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schritt aufrichtet und daß mit der Niederreißung dieser Schranke der technische Fortschritt mit einer Macht vorwärtsdrängen wird, gegen die die technischen Wunder der kapitalistischen Produktion wie ein Kinderspiel erscheinen dürften.

Ausgedrückt in der Zusammensetzung des gesellschaftlichen Produkts, kann dieser technische Umschwung nur bedeuten, daß die Produktion von Produktionsmitteln in der sozialistischen Gesellschaft – an Arbeitszeit gemessen – noch unvergleichlich rascher anwachsen muß im Vergleich zur Produktion von Konsummitteln als heute. Und so stellt sich das Verhältnis der beiden Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion, in dem die russischen Marxisten einen spezifischen Ausdruck der kapitalistischen Verworfenheit, der Mißachtung für die menschlichen Konsumtionsbedürfnisse gepackt zu haben wähnten, vielmehr als der genaue Ausdruck der fortschreitenden Beherrschung der Natur durch die gesellschaftliche Arbeit heraus, ein Ausdruck, der am ausgeprägtesten just dann hervortreten müßte, wenn die menschlichen Bedürfnisse der allein maßgebende Gesichtspunkt der Produktion sein werden. Der einzige objektive Beweis für das „Fundamentalgesetz“ Tugan-Baranowskis bricht somit als ein „fundamentales“ Quiproquo zusammen, und seine ganze Konstruktion, aus der er auch die „neue Krisentheorie” mitsamt der „Disproportionalität“ abgeleitet hat, wird reduziert auf ihre papierene Grundlage: auf das von Marx sklavisch abgeschriebene Schema der erweiterten Reproduktion.

Vierundzwanzigstes Kapitel. Der Ausgang des russischen „legalen“ Marxismus

Es ist ein Verdienst der russischen „legalen“ Marxisten und insbesondere Tugan-Baranowskis, die Analyse des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses und dessen schematische Darstellung im zweiten Bande des Marxschen „Kapitals“ im Kampfe mit den Skeptikern der kapitalistischen Akkumulation für die Wissenschaft fruktifiziert zu haben. Da aber Tugan-Baranowski diese schematische Darstellung für die Lösung des Problems selbst statt für dessen Formulierung versehen hat, so kam er zu Schlüssen, welche die Grundlagen selbst der Marxschen Lehre auf den Kopf stellen mußten.

Die Tugansche Auffassung, wonach die kapitalistische Produktion für sich selbst schrankenlosen Absatz bilden könne und von der Konsumtion unabhängig sei, führt ihn geradenwegs zu der Say–Ricardoschen Theorie

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