Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 173

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Klassen einander gefolgt, aber darf man, weil sie, nachdem sie zuerst einiges Gute geleistet, bald darauf aber schreckliche Qualen dem Menschengeschlecht verursacht haben, schließen, daß wir heute das richtige System haben, daß wir nicht den Grundfehler des Systems der Tagelöhner entdecken werden, wie wir den des Systems der Sklaverei, der Vasallität, der Zünfte entdeckt haben? Als diese drei Systeme in Kraft waren, konnte man sich auch nicht denken, was man an ihre Stelle setzen könnte; die Verbesserung der bestehenden Ordnung erschien ebenso unmöglich wie lächerlich. Ohne Zweifel wird eine Zeit kommen, in der unsere Enkel uns als nicht minder barbarisch ansehen werden, weil wir die arbeitenden Klassen ohne Garantie gelassen haben, wie sie und wir selbst die Nationen als barbarisch ansehen, die diese selben Klassen als Sklaven behandelt haben.“ Seinen tiefen Blick für geschichtliche Zusammenhänge hat Sismondi bewiesen durch den Ausspruch, worin er mit epigrammatischer Schärfe die Rolle des Proletariats in der modernen Gesellschaft von derjenigen des Proletariats der römischen Gesellschaft unterschied. Nicht minder tief zeigt er sich darin, wie er in seiner Polemik gegen Ricardo die ökonomischen Sondercharaktere des Sklavensystems und der Feudalwirtschaft zergliedert sowie deren relative geschichtliche Bedeutung, endlich indem er als die vorherrschende allgemeine Tendenz der bürgerlichen Ökonomie feststellt, „jede Art von Eigentum von jeder Art Arbeit vollständig zu trennen“. Auch das zweite Treffen Sismondis mit der klassischen Schule schlug, wie das erste, nicht zum Ruhme seines Gegners aus.[1]

Dreizehntes Kapitel. Say gegen Sismondi

Der Aufsatz Sismondis im Maiheft 1824 der „Revue encyclopédique“ gegen Ricardo lockte endlich den damaligen „prince de la science économique“, den angeblichen Vertreter, Erben und Popularisator der Smithschen Schule auf dem Kontinent, J. B. Say, auf den Plan. Im Juli desselben Jahres replizierte Say in der „Revue encyclopédique“, nachdem er

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[1] Wenn deshalb Herr Tugan-Baranowski im Interesse des von ihm verfochtenen Standpunkts Say-Ricardos über die Kontroverse zwischen Sismondi und Ricardo zu berichten weiß, daß Sismondi gezwungen wäre, „die Richtigkeit der von ihm angefochtenen Lehre anzuerkennen und seinem Gegner alle nötigen Zugeständnisse zu machen“, daß Sismondi „seine eigene Theorie, die bis jetzt so viele Anhänger findet, preisgegeben habe und daß „der Sieg in dieser Kontroverse auf seiten Ricardos wäre“ (Studien zur Theorie und Geschichte der Handelskrisen in England, 1901, S. 176), so ist das eine solche – sagen wir – Leichtfertigkeit des Urteils, wie wir davon in einem ernsten wissenschaftlichen Werk nicht viel Beispiele kennen. – [Fußnote im Original]