Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 652

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geschichte, wie sie sich an der Schwelle der Nationalökonomie von ihr trennte. Liegt es im Klasseninteresse der Bourgeoisie, den Kernpunkt der Wirtschaftsgeschichte – die Gestaltung des Verhältnisses der Arbeitskraft zu den Produktionsmitteln – in seinem historischen Wandel zu vertuschen, so gebietet das Interesse des Proletariats umgekehrt, dieses Verhältnis in den Vordergrund zu rücken, zum Maßstab der ökonomischen Struktur der Gesellschaft zu machen. Und zwar ist es für Arbeiter nicht bloß erforderlich, die großen Meilensteine der Geschichte zu beachten, die die uralte kommunistische Gesellschaft von der späteren Klassengesellschaft abgrenzen, sondern ebensosehr auch die Unterscheidungen zwischen den verschiedenen historischen Formen der Klassengesellschaft selbst. Nur wer sich über die spezifischen ökonomischen Eigentümlichkeiten der urkommunistischen Gesellschaft, aber nicht minder über die Besonderheiten der antiken Sklavenwirtschaft und der mittelalterlichen Fronwirtschaft klare Rechenschaft ablegt, kann mit voller Gründlichkeit erfassen, warum die heutige kapitalistische Klassengesellschaft zum erstenmal geschichtliche Handhaben zur Verwirklichung des Sozialismus bietet und worin der fundamentale Unterschied der sozialistischen Weltwirtschaft der Zukunft von den primitiven kommunistischen Gruppen der Urzeit besteht.

IV Wirtschaftsgeschichtliches (II)

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Sehen wir uns die am besten untersuchte, die germanische Markgenossenschaft in ihren inneren Einrichtungen an.

Die Germanen siedelten sich, wie wir wissen, in Stämmen und Geschlechtern an. In jedem Geschlecht erhielt jeder Familienvater eine Baustelle nebst Hofraum zugewiesen, um darauf Haus und Hof einzurichten. Dann wurde ein Teil des Gebietes zum Ackerbau verwendet, und zwar kriegte jede Familie ein Los darauf. Zwar bebaute noch – nach Cäsars Zeugnis – um den Beginn der christlichen Ara ein Stamm der Deutschen (die Sueven oder Schwaben) den Acker gemeinsam, ohne ihn unter die Familien erst zu verteilen, doch war jährliche Umteilung der Lose bereits allgemein üblich, namentlich zu des römischen Historikers Tacitus Zeiten, also im 2. Jahrhundert. In vereinzelten Gegenden, so in der Gemeinde Frickhofen im Nassauischen, waren jährliche Umteilungen noch im 17. und 18. Jahrhundert üblich. Noch im 19. Jahrhundert waren in einigen Ge-

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