Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 79

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in v + m, die soviel Unheil in der Analyse der Reproduktion angerichtet hat, als falsch eingesehen; doch kümmerte er sich um diesen Smithschen Schnitzer nicht weiter, wie er sich für das Problem der Gesamtreproduktion im ganzen nicht erwärmte. Überhaupt brachte die Ricardosche Analyse in gewisser Hinsicht einen Rückschritt hinter Smith, wie dieser zum Teil einen Rückschritt hinter die Physiokraten machte. Wenn Ricardo die Grundkategorien der bürgerlichen Ökonomie: Wert, Lohn, Mehrwert, Kapital, viel schärfer und einheitlicher herausgearbeitet hat als alle seine Vorgänger, so hat er sie dafür starrer behandelt. Ad. Smith hatte viel mehr Sinn für die lebendigen Zusammenhänge, für die große Bewegung des Ganzen. Kam es ihm auch gelegentlich nicht darauf an, für ein und dasselbe Problem zwei oder, wie bei dem Wertproblem, gar drei bis vier verschiedene Lösungen zu geben und sich in verschiedenen Teilen der Analyse selbst munter zu widersprechen, so führten doch gerade seine Widersprüche darauf, das Ganze immer wieder von anderer Seite anzupacken und in der Bewegung zu fassen. Die Schranke, an der beide – Smith wie Ricardo – scheitern mußten, war ihr bürgerlich begrenzter Horizont. Um die Grundkategorien der kapitalistischen Produktion: Wert und Mehrwert, in ihrer lebendigen Bewegung, als gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß zu erfassen, mußte man diese Bewegung historisch, die Kategorien selbst als geschichtlich bedingte Formen allgemeiner Arbeitsverhältnisse auffassen. Damit ist gegeben, daß das Problem der Reproduktion des Gesamtkapitals nur von einem Sozialisten gelöst werden konnte. Zwischen dem „Tableau économique“ und dem Reproduktionsschema im zweiten Band des „Kapitals“ liegt nicht bloß zeitlich, sondern auch inhaltlich das Glück und Ende der bürgerlichen Ökonomie.

Sechstes Kapitel. Die erweiterte Reproduktion

Das Mangelhafte des Schemas der einfachen Reproduktion liegt auf der Hand: Es legt die Gesetze einer Reproduktionsform dar, die unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen nur als gelegentliche Ausnahme stattfinden kann. Die Regel der kapitalistischen Wirtschaftsweise noch mehr als jeder anderen ist nicht einfache, sondern erweiterte Reproduktion.[1]

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[1] „Die Voraussetzung der einfachen Rcproduktion, daß I (v -s- m) = II c sei, ist nicht nur unverträglich mit der kapitalistischen Produktion, was übrigens nicht ausschließt, daß im industriellen Zyklus von 10–11 Jahren ein Jahr oft geringre Gesamtreproduktion hat als das vorhergehende, also nicht einmal einfache Reproduktion stattfindet im Verhältnis zum vorhergehenden Jahr. Sondern auch bei dem natürlichen jährlichen Wachstum der Bevölkerung konnte einfache Reproduktion nur insofern stattfinden, als von den 1500, die den Gesamtmehrwert repräsentieren, eine entsprechend größre Zahl unproduktiver Dienstleute mitzehrten. Akkumulation von Kapital, also wirkliche kapitalistische Produktion, wäre dagegen hierbei unmöglich.“ (Das Kapital, Bd. II, S. 497.) [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 24, S. 515.] – [Fußnote im Original]