Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 238

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den guten Rat des Herrn Woronzow anzunehmen, verfallen sie auf andere Mittel, alljährlich einen Teil ihres Mehrwerts zu „vernichten“. Zu diesen probaten Mitteln gehört unter anderm der moderne Militarismus, und zwar, da Herr Woronzow mit tödlicher Sicherheit alles auf den Kopf zu stellen weiß, gerade in dem Maße, wie die Kosten des Militarismus nicht aus den Mitteln der arbeitenden Volksmasse, sondern aus dem Einkommen der Kapitalistenklasse bestritten werden. In erster Linie aber besteht das Rettungsmittel des Kapitalismus im auswärtigen Handel. Und das ist wiederum die „Achillesferse“ des russischen Kapitalismus. Als letzter an der Tafel des Weltmarktes hat er bei der Konkurrenz älterer kapitalistischer Länder des Westens nur das Nachsehen, und so geht dem russischen Kapitalismus zusammen mit der Aussicht auf auswärtige Märkte auch die wichtigste Bedingung seiner Lebensfähigkeit ab. Rußland bleibt das „Reich der Bauern“ und der „Volksproduktion“.

„Wenn das alles richtig ist“, schließt W. W. seinen Aufsatz vom „Überschuß bei der Versorgung des Marktes mit Waren“, „dann ergeben sich daraus auch die Schranken für die Herrschaft des Kapitalismus in Rußland: Die Landwirtschaft muß seiner Leitung entzogen werden; aber auch auf dem Gebiete der Industrie darf seine Entwicklung nicht zu sehr vernichtend auf die Hausindustrie einwirken, die bei unseren klimatischen Verhältnissen (I) für den Wohlstand eines großen Teils der Bevölkerung unentbehrlich ist. Wenn der Leser darauf bemerken wird, daß der Kapitalismus sich auf solche Kompromisse nicht einlassen wird, dann antworten wir: um so schlimmer für ihn.“ So wäscht Herr Woronzow zum Schluß seine Hände und lehnt für seine Person jede Verantwortung für die weiteren Schicksale der wirtschaftlichen Entwicklung in Rußland ab.

Zwanzigstes Kapitel. Nikolai-on

Mit anderer ökonomischer Vorbildung und Sachkenntnis geht der zweite Theoretiker der „volkstümlerischen“ Kritik, Nikolai-on, ans Werk. Einer der gründlichsten Kenner der russischen Wirtschaftsverhältnisse, hatte er schon 1880 durch seine Abhandlung über die Kapitalisierung der landwirtschaftlichen Einkommen (in der Revue „Slowo“) Aufsehen erregt. Dreizehn Jahre später gab er, angeregt durch die große russische Hungersnot des Jahres 1891, ein Buch unter dem Titel „Abhandlungen über unsere Volkswirtschaft nach der Reform“ heraus, in dem er jene erste Unter-

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