Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 274

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die Schranken des privaten Grundbesitzes beseitigt sind. Daraus wird sich auf einem großen Gebiete der Produktion eine gewaltige Umwälzung ergeben, die im allgemeinen Resultat auf eine umfangreiche Verdrängung der lebendigen Arbeit durch Maschinenarbeit hinausläuft und die Inangriffnahme technischer Aufgaben größten Stils herbeiführen wird, für die heute keine Bedingungen vorhanden sind. Zweitens wird die Anwendung der Maschinerie überhaupt im Produktionsprozeß auf eine neue ökonomische Basis gestellt werden. Gegenwärtig tritt die Maschine nicht mit der lebendigen Arbeit, sondern bloß mit dem bezahlten Teil der lebendigen Arbeit in Konkurrenz. Die unterste Grenze der Anwendbarkeit der Maschine in der kapitalistischen Produktion ist mit den Kosten der durch sie verdrängten Arbeitskraft gegeben. Das heißt, für den Kapitalisten kommt eine Maschine erst dann in Betracht, wenn ihre Produktionskosten – bei gleicher Leistungsfähigkeit – weniger betragen als die Löhne der durch sie verdrängten Arbeiter. Vom Standpunkte des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses, der allein in der sozialistischen Gesellschaft maßgebend sein kann, muß die Maschine nicht mit der zur Erhaltung der Arbeitenden notwendigen Arbeit, sondern mit der von ihnen geleisteten Arbeit in Konkurrenz treten. Das besagt soviel, daß für eine Gesellschaft, in der nicht Profitstandpunkt, sondern Ersparnis der menschlichen Arbeit maßgebend ist, die Anwendung der Maschine schon dann ökonomisch geboten wäre, wenn ihre Herstellung weniger Arbeit kostet, als sie an lebendiger Arbeit erspart. Wir sehen davon ab, daß in vielen Fällen, wo die Gesundheit und dergleichen Rücksichten auf die Interessen der Arbeitenden selbst in Frage kommen, die Anwendbarkeit der Maschine in Betracht kommen kann, auch wenn sie nicht einmal diese ökonomische Minimalgrenze der Ersparnis erreicht. Jedenfalls ist die Spannung zwischen der ökonomischen Anwendbarkeit der Maschinen in der kapitalistischen und in der sozialistischen Gesellschaft mindestens gleich der Differenz zwischen der lebendigen Arbeit und ihrem bezahlten Teil, d. h., sie kann genau gemessen werden durch den ganzen kapitalistischen Mehrwert. Daraus folgt, daß mit der Beseitigung der kapitalistischen Profitinteressen und der Einführung der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit die Grenze für die Anwendung der Maschinen sich plötzlich um die ganze Größe des kapitalistischen Mehrwerts hinausschieben, ihrem Eroberungszug sich ein enormes, unübersehbares Feld eröffnen wird. Es müßte sich dann handgreiflich zeigen, daß die kapitalistische Produktionsweise, die angeblich zur äußersten Entwicklung der Technik anstachelt, tatsächlich in dem ihr zugrunde liegenden Profitinteresse eine hohe soziale Schranke für den technischen Fort-

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