Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 774

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schaftsbereichs des Kapitals, eine Ausbildung des Weltmarkts und der Weltwirtschaft, in der sämtliche bewohnten Länder der Erdkugel gegenseitig füreinander Produzenten und Abnehmer von Produkten sind, einander in die Hand arbeiten, Beteiligte einer und derselben erdumspannenden Wirtschaft sind.

Die andere Seite ist aber die fortschreitende Verelendung immer weiterer Kreise der Menschheit auf dem Erdrund und fortschreitende Unsicherheit ihrer Existenz. Indem an Stelle alter kommunistischer, bäuerlicher oder der Fronverhältnisse mit ihren beschränkten Produktivkräften und geringem Wohlstand, aber festen und gesicherten Existenzbedingungen für alle die kapitalistischen Kolonialverhältnisse, Proletarisierung und Lohnsklaverei treten, zieht für alle betroffenen Völker in Amerika, Asien, Afrika, Australien nacktes Elend, ungewohnte und unerträgliche Arbeitslast und obendrein völlige Unsicherheit der Existenz herauf. Nachdem das fruchtbare und reiche Brasilien für Bedürfnisse des europäischen und nordamerikanischen Kapitalismus in eine riesige Öde und eintönige Kaffeeplantage, ganze Massen der Eingeborenen aber in proletarisierte Lohnsklaven auf den Plantagen verwandelt worden sind, werden diese Lohnsklaven obendrein durch eine rein kapitalistische Erscheinung: die sogenannte „Kaffeekrise“[1], plötzlich für längere Zeit der Arbeitslosigkeit und dem nackten Hunger preisgegeben. Das reiche und enorme Indien wurde durch die englische Kolonialpolitik nach jahrzehntelangem verzweifeltem Widerstand der Herrschaft des Kapitals unterworfen, und seitdem sind Hungersnot wie Hungertyphus, die Millionen auf einmal dahinraffen, periodische Gäste in der Gegend des Gangesflusses. Im Innern Afrikas sind durch die englische und deutsche Kolonialpolitik binnen der letzten 20 Jahre ganze Völkerschaften zum Teil in Lohnsklaven verwandelt, zum Teil ausgehungert, ihre Knochen in alle Gegenden zerstreut worden. Die verzweifelten Aufstände und die Hungerepidemien in dem Riesenreich China[2] sind die Folgen der Zermalmung der alten bäuerlichen und handwerksmäßigen Wirtschaft dieses Landes durch den Einzug des europäischen Kapitals. Der Einzug des europäischen Kapitalismus nach den Vereinigten Staaten wurde begleitet erst durch die Ausrottung der eingeborenen amerikanischen Indianer und den Raub ihrer Ländereien durch die eingewanderten Engländer[3], dann durch die Errichtung anfangs

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[1] Bereits 1900 entfielen 75 Prozent der Weltkaffeeproduktion auf Brasilien. 1907 führten Preisstürze auf dem internationalen Kaffeemarkt zur ersten großen Kaffeekrise im Staate Sao Paulo.

[2] Randnotiz R. L.: Indien Hungertyphus.

[3] Siehe S. 350, Fußnote 1.