Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 760

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allgemeinen Einführung des Maschinenbetriebs an Stelle des Handbetriebes und der immer rascheren Einführung neuer, verbesserter Maschinen an Stelle der alten. Technische Erfindungen auf allen Gebieten der Produktion sind das tägliche Brot geworden. So ist die technische Umwälzung der gesamten Industrie, sowohl in der eigentlichen Produktion wie in den Verkehrsmitteln, eine unaufhörliche Erscheinung, ein Lebensgesetz der kapitalistischen Warenproduktion. Und jeder Fortschritt in der Produktivität der Arbeit äußert sich in der Verringerung der Menge Arbeit, die zur Erhaltung des Arbeiters nötig ist. Das heißt: Die kapitalistische Produktion kann keinen Schritt vorwärts machen, ohne den Anteil der Arbeiter am gesellschaftlichen Produkt zu verringern. Mit jeder neuen Erfindung der Technik, mit jeder Verbesserung der Maschinen, mit jeder neuen Anwendung von Dampf und Elektrizität in der Produktion und im Verkehr wird der Anteil des Arbeiters am Produkt kleiner und der Anteil der Kapitalisten größer. Der relative Lohn fällt immer tiefer und tiefer, unaufhaltsam und ununterbrochen, der Mehrwert, das heißt der unbezahlte, aus dem Arbeiter erpreßte Reichtum der Kapitalisten, wächst ebenso unaufhaltsam und ständig immer höher und höher.

Wir sehen auch hier wieder einen schlagenden Unterschied zwischen der kapitalistischen Warenproduktion und allen früheren Wirtschaftsformen der Gesellschaft. In der primitiven kommunistischen Gesellschaft wird, wie wir wissen, das Produkt direkt nach der Produktion zwischen alle Arbeitenden, das heißt alle Mitglieder, denn es gibt noch so gut wie keine Nichtarbeiter, gleichmäßig verteilt. Unter den Hörigkeitsverhältnissen ist nicht Gleichheit, sondern Ausbeutung der Arbeitenden durch Nichtarbeitende maßgebend. Aber es wird nicht der Anteil des Arbeitenden, des Fronbauern, an der Frucht seiner Arbeit bestimmt, sondern es wird, umgekehrt, der Anteil des Ausbeuters, des Fronherrn, genau fixiert als bestimmte Fronden und Abgaben, die er vom Bauern zu bekommen hat. Was danach übrigbleibt an Arbeitszeit und an Produkt, ist Anteil des Bauern, so daß dieser in normalen Verhältnissen, vor der äußersten Ausartung der Leibeigenschaft, in gewissem Umfang die Möglichkeit hat, durch Anspannen seiner Arbeitskräfte seinen eigenen Anteil zu vergrößern. Freilich wird dieser Anteil des Bauern durch die wachsenden Forderungen des Adels und der Geistlichkeit an Abgaben und Fronden mit dem Fortgang des Mittelalters immer geringer. Aber es sind stets bestimmte, wenn auch noch so willkürlich festgesetzte Normen, sichtbare, von Menschen – und seien diese Menschen auch Unmenschen – festgesetzte Normen, die den Anteil des Fronbauern wie seines feudalen Aussaugers am

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