Reservearmee aus der Entwicklung der Industrie. Die Armut und das Lumpenproletariat gehören zu den Existenzbedingungen des Kapitalismus und wachsen mit ihm zusammen: je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital und die durch es beschäftigte Arbeitermasse, um so größer auch die vorrätige Schicht der Arbeitslosen, die Reservearmee; je größer die Reservearmee im Verhältnis zu der beschäftigten Arbeitermasse, um so größer die unterste Schicht der Armut, des Pauperismus, des Verbrechens. Mit dem Kapital und Reichtum wächst also unvermeidlich auch die Größe der Unbeschäftigten und Unentlohnten und damit auch die Lazarusschicht der Arbeiterklasse – die offizielle Armut. „Dies“, sagt Marx, „ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation.“[1]
Die Bildung einer ständigen und wachsenden Schicht von Arbeitslosen war, wie wir gesagt haben, in allen früheren Gesellschaftsformen unbekannt. In der kommunistischen Urgemeinde arbeitet selbstverständlich jeder, soweit dies zum Lebensunterhalt notwendig, zum Teil weil aus unmittelbarem Bedürfnis, zum Teil unter dem Druck der moralischen und gesetzlichen Autorität des Stammes, der Gemeinde. Es sind aber auch alle Mitglieder der Gesellschaft mit den zugänglichen Mitteln zum Leben versehen. Die Lebenshaltung der primitiven kommunistischen Gruppe ist freilich eine ziemlich niedrige und einfache, die Lebensbequemlichkeiten sind primitive. Aber insofern Mittel zum Leben da sind, sind sie für alle gleichmäßig da, und die Armut im heutigen Sinne, die Entblößung von den vorhandenen Mitteln der Gesellschaft, ist in jenen Zeiten ganz unbekannt. Der primitive Stamm hungert manchmal oder oft, wenn die Ungunst der Naturverhältnisse ihn verfolgt, aber sein Mangel ist dann Mangel der Gesellschaft als solcher, der Mangel eines Teils von Mitgliedern bei Überfluß eines anderen Teiles ist etwas Undenkbares; denn soweit die Lebensmittel der Gesellschaft im ganzen gesichert sind, ist die Existenz jedes einzelnen Mitgliedes gesichert.
In der orientalischen und antiken Sklaverei sehen wir dasselbe. Sosehr der ägyptische Staatssklave oder der griechische Privatsklave ausgebeutet und geschunden wird, so groß der Abstand zwischen seiner kargen Lebenshaltung und dem Überfluß des Herrn sein mochte, diese seine Lebenshaltung war ihm jedoch durch das Sklavenverhältnis selbst gesichert. Man ließ die Sklaven nicht vor Mangel umkommen, wie man heute sein eigenes Pferd oder Vieh nicht umkommen läßt. Das nämliche in den mittelalterlichen Fronverhältnissen: Die Fesselung der Bauernschaft an die Scholle