Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 741

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und es gehört ihm ja davon nicht ein Stückchen; alles, was der Arbeiter produziert, gehört dem Unternehmer. Hierin liegt ein großer äußerer Unterschied zwischen der Lohnarbeit und der Hörigkeit. Der Fronbauer mußte in normalen Verhältnissen unbedingt einige Zeit haben, um auf eigenem Acker zu arbeiten, und das, was er für sich arbeitete, gehörte auch ihm. Bei dem modernen Lohnarbeiter gehört sein ganzes Produkt dem Unternehmer, und so sieht es aus, als hätte seine Arbeit in der Fabrik gar nichts zu tun mit seiner eigenen Erhaltung. Er hat seinen Lohn erhalten und kann damit machen, was er will. Dafür hat er zu arbeiten, was ihm der Unternehmer anweist, und alles, was er produziert, gehört dem Unternehmer. Aber der Unterschied, der dem Arbeiter unsichtbar ist, zeigt sich nachher wohl in der Rechnung des Unternehmers, wenn er den Erlös aus der Produktion seiner Arbeit berechnet. Für den Kapitalisten ist das der Unterschied zwischen der Geldsumme, die er nach dem Verkauf des Produkts einnimmt, und seinen Auslagen sowohl für die Produktionsmittel wie für die Löhne seiner Arbeiter. Das, was ihm verbleibt als Gewinn, ist eben der Wert, der von der unbezahlten Arbeit geschaffen [wurde], das heißt der Mehrwert, den die Arbeiter geschaffen haben. Jeder Arbeiter produziert also, wenn er auch nur Gummibänder oder Seidenstoffe oder Gußröhren produziert, zunächst seinen eigenen Lohn und dann geschenkten Mehrwert für den Kapitalisten. Hat er zum Beispiel in 11 Stunden 11 Meter Seidenstoff gewebt, so enthalten 6 Meter davon den Wert seines Lohns, und 5 sind Mehrwert für den Unternehmer.

Aber der Unterschied zwischen der Lohnarbeit und der Sklaven- oder Fronarbeit hat noch wichtigere Folgen. Der Sklave wie der Fronbauer lieferten ihre Arbeit hauptsächlich für den eigenen privaten Bedarf, für den Konsum des Herrn. Sie schafften für ihren Herrn Nahrungs- und Kleidungsgegenstände, Möbel, Luxussachen usw. Dies war jedenfalls das Normale, bevor die Sklaverei und das Fronverhältnis unter dem Einfluß des Handels ausarteten und ihrem Verfall entgegengingen. Die Konsumtionsfähigkeit des Menschen, auch der Luxus im Privatleben, haben aber in jedem Zeitalter ihre bestimmten Grenzen. Mehr als volle Speicher, volle Ställe, reiche Kleider, ein üppiges Leben für sich und den ganzen Hofhalt, reich ausgestattete Zimmer, mehr als das konnten der antike Sklavenhalter oder der mittelalterliche Adlige nicht brauchen. Solche Gegenstände, die zum täglichen Bedarf dienen, können ja nicht einmal in zu großen Vorräten aufbewahrt werden, da sie dabei zugrunde gehen: Das Korn verfällt leicht der Fäulnis oder wird von Ratten und Mäusen gefressen, Heu- und Strohvorräte geraten leicht in Brand, Kleiderstoffe werden beschädigt

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