Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 733

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ist, um den Menschen arbeitsfähig, um seine Arbeitskraft zu erhalten, soviel ist auch seine Arbeitskraft wert. Der Wert der Ware Arbeitskraft wird also dargestellt durch die Menge Arbeit, die zur Herstellung der Lebensmittel für den Arbeiter nötig ist. Ferner: Wie bei jeder anderen Ware wird der Wert der Arbeitskraft auf dem Markt im Preis, das heißt in Geld, eingeschätzt. Der Geldausdruck, das heißt der Preis der Ware Arbeitskraft, heißt Lohn. Bei jeder anderen Ware steigt der Preis, wenn die Nachfrage rascher wächst als das Angebot, und sinkt, wenn umgekehrt die Zufuhr der Ware größer ist als die Nachfrage. Dasselbe bewährt sich auch in bezug auf die Ware Arbeitskraft: Bei steigender Nachfrage nach Arbeitern haben die Löhne im allgemeinen die Tendenz zu steigen, nimmt die Nachfrage ab oder wird der Arbeitsmarkt mit frischer Ware überfüllt, so zeigen Löhne eine Tendenz zum Sinken. Endlich, wie bei jeder anderen Ware, wird der Wert der Arbeitskraft, also mit ihr auch schließlich der Preis größer, wenn die zu ihrer Herstellung nötige Arbeitsmenge größer wird: in diesem Fall, wenn die Lebensmittel des Arbeiters mehr Arbeit zu ihrer Produktion erfordern. Und umgekehrt führt jede Ersparnis an der Arbeit, die zur Herstellung der Lebensmittel für den Arbeiter erforderlich ist, zur Herabdrückung des Wertes der Arbeitskraft, also auch ihres Preises, das heißt des Arbeitslohns. „Man verringere die Produktionskosten von Hüten“, schrieb David Ricardo im Jahre 1817, „und ihr Preis wird schließlich auf ihren neuen natürlichen Preis zurückgehen, obwohl sich die Nachfrage verdoppelt, verdreifacht oder vervierfacht haben mag. Man verringere die Unterhaltskosten der Arbeiter, indem man den natürlichen Preis der Nahrungsmittel und der Kleidung, die das Leben erhalten, senkt, und die Löhne werden schließlich sinken, trotzdem die Nachfrage nach Arbeitern sehr erheblich gestiegen sein mag.“[1]

Somit zeichnet sich die Ware Arbeitskraft auf dem Markte zunächst durch nichts von anderen Waren aus als etwa dadurch, daß sie von ihrem Verkäufer, dem Arbeiter, untrennbar ist und daß sie deshalb kein langes Warten auf den Käufer verträgt, weil sie sonst zusammen mit ihrem Träger, dem Arbeiter, vor Mangel an Lebensmitteln zugrunde geht, während die meisten anderen Waren eine mehr oder minder lange Wartezeit bis zum Verkauf an sich gut vertragen können. Die Besonderheit der Ware Arbeitskraft äußert sich also noch nicht auf dem Markt, wo nur der Tauschwert eine Rolle spielt. Sie liegt anderswo – im Gebrauchswert dieser Ware. Jede Ware wird gekauft wegen des Nutzens, den sie im Gebrauch bringen

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[1] David Ricardo: Über die Grundsätze der Politischen Ökonomie und der Besteuerung. Übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Gerhard Bondi, Berlin 1959, S. 376.