Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 729

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stellt, als ein Stück menschlicher Arbeit ohne jeden besonderen Nutzen, also gerade dadurch, weil es ein ganz sinnloses Produkt ist, untauglich zu jeglichem Gebrauch im menschlichen Privatleben. Diese sinnlose Erfindung ist also eine Notwendigkeit, ohne die der Austausch überhaupt, also die ganze bisherige Kulturgeschichte seit der Auflösung des Urkommunismus, unmöglich wäre. Die bürgerlichen Nationalökonomen betrachten das Geld freilich auch als eine höchst wichtige und unentbehrliche Sache, aber nur vom Standpunkte der rein äußerlichen Bequemlichkeit des Warenaustausches. Man kann dies in Wirklichkeit vom Gelde nur in dem Sinne sagen, wie man sagen kann, die Menschhéit habe zum Beispiel die Religion zur Bequemlichkeit erfunden. Tatsächlich sind Geld und Religion zwei gewaltige Kulturprodukte der Menschheit, die aber in ganz bestimmten vorübergehenden Verhältnissen wurzeln und, wie sie entstanden sind, so auch mit der Zeit überflüssig werden. Die enormen jährlichen Ausgaben für die Goldproduktion wie die Ausgaben für den Kultus wie auch die Ausgaben für Gefängnisse, Militarismus, öffentliche Wohltätigkeit, die heute die gesellschaftliche Wirtschaft schwer belasten, aber bei der Existenz dieser Wirtschaftsform notwendige Kosten sind, werden mit der Aufhebung der Warenwirtschaft von selbst wegfallen.

Die Warenwirtschaft, wie wir ihren inneren Mechanismus kennengelernt haben, erscheint vor uns als eine wunderbar harmonische und auf höchsten Prinzipien der Moral beruhende Wirtschaftsordnung. Denn erstens herrscht ja völlige individuelle Freiheit: Jeder arbeitet, wie, woran und wieviel er will, ganz nach freiem Belieben; jeder ist sein eigener Herr und braucht sich nur nach dem eigenen Vorteil zu richten. Zweitens, die einen tauschen ihre Waren, das heißt ihre Arbeitsprodukte, gegen die Arbeitsprodukte anderer aus; Arbeit wird gegen Arbeit ausgetauscht, und zwar im Durchschnitt gleiche Mengen Arbeit gegen gleiche Mengen. Es herrscht also auch völlige Gleichheit und Gegenseitigkeit der Interessen. Drittens gibt es bei der Warenwirtschaft eben nur Ware gegen Ware, Arbeitsprodukt gegen Arbeitsprodukt. Wer also kein Produkt seiner Arbeit zu bieten hat, wer nicht arbeitet, wird auch nichts zu essen kriegen. Es ist also auch die höchste Gerechtigkeit. In der Tat versprachen die Philosophen und Politiker des 18. Jahrhunderts, die für den völligen Sieg der Gewerbefreiheit kämpften und für die Abschaffung der letzten Reste der alten Herrschaftsverhältnisse – des Zunftreglements und der feudalen Leibeigenschaft[1] –, die Männer der Großen Französischen Revolution der Menschheit ein Paradies auf Erden, in dem Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit herrschen sollten.

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[1] Randnotiz R. L.: Naturalwirtsch.